Das Rasseln der Penisfutterale

Auch aufgrund einer sinnreich gewählten Übersetzung der Zahnkränze rückt, Kurve um Kurve jener Punkt, den die Perspektive zunächst so entrückt erscheinen lässt, rasch und unter Aufwendung angemessener Mühen näher. Jener Punkt also, der Pass, der sich mit Fug und Recht auch als Zenith bezeichnen ließe, da sich jenseits, am nordseitigen Hange die Straße ebenso kühn und lindwurmartig gewunden hinabstürzt gegen die Haupstadt mit dem emsig brummenden Hafen, wie sie sich diesseits behäbig hinaufschlängelt und dem Reisenden so manchen Tropfen Schweiß abnötigt. Da raste ich in einer Haarnadelkurve, nehme einen tiefen Schluck aus meiner Kalebasse (Wasser mit Arrak versetzt) und blicke über die Straßeneinfassung jäh hinab gegen das Tal, aus dem jetzt, da die Sonne blinzelnd hervortritt, die Wrasen des Urwaldes zögerlich emporsteigen. Scheinbar fugenlos ist diese Straßeneinfassung, die die Kurven überhöht, einst aus trutzigen Porphyrblöcken für die Ewigkeit errichtet. Maurische Bögen gemahnen an die Baumeister – die Osmanen, die hier, just in diesem Berglande unter der Führung von Tāriq ibn al Machid die Westgoten vernichtend schlugen. Dieser Tāriq ibn al Machid, der seine Laufbahn als Händler von goldenen, kunstvoll ziselierten Armaturen begann, hiermit ein erkleckliches Vermögen anhäufte, 1481, dem gehobenen Sanitärartikelhandel überdrüssig, ins Militärfach wechselte und dort zu eigentlichen Höchstformen auflief, gleichsam zum Gipfel seines Ruhmes; eine schillernde Persönlichkeit, die, schenkt man den zahlreichen, teilweise widersprüchlichen Berichten Glauben, das Blut seiner Feinde trank und der man nachsagt, alleine während eines Feldzuges weit über achthundert Nachkommen mit naturgemäß wechselnden Gespielinnen gezeugt zu haben.

Da tritt, tief unten im Tale eine Gruppe von Negern aus dem dampfenden Grün, die weglos aufsteigen und auf den Köpfen Turbinenteile und Zahnräder sehr geschickt balancieren, nackt sind diese Tagelöhner, bis auf einen kultischen Schurz aus Makakenpfoten, der die dauerhaft erigierten Penisse dieses ursprünglich scheuen Stammes von Waldnegern (den sogenannten Hinārís) nur äusserst notdürftig kaschiert. Aus rituellen Gründen, als auch gegen Ungeziefer reiben die Eingeborenen ihre Leiber mit Makakenblut und Lehm ein. Auch gart man in den weiten Wäldern die meisten Speisen mit dem ausgelassenen Fett der Makaken.

Im Juni werden gewaltige Büffelherden, oft weit über zweitausend Tiere pro Herde, auf die Almen getrieben. Almen, die man einst mit Feuer, heute zunehmend mittels Napalm rücksichtslos in den Bergwald schlägt. Hespálmaka, wie die Eingeborenen sagen: der Atem des Teufels. Es wird deutlich, daß ich Zeuge dieses einzigartigen, in den Reiseberichten vielzitierten Almauftriebs werden würde, als im Tale das Donnern abertausender Hufe vernehmlich wird und eine stattliche Staubwolke emporwirbelt, welche zeitweise die Sonne verfinstert, die schließlich aber ein plötzlicher Passatwind weit, weit aufs Meer hinausträgt, dorthin wo die Handelsschiffe kreuzen, die Maniokschnaps und Makakenschmalz geladen haben.

Plötzlich aber sprengen Lippizanerpferde von der Passhöhe herab, deren Zaumzeug überbordend mit diamantbesetzten Totenköpfen und Posamenten aus Makakenhaar verziert ist, darauf Reiter, ausschließlich auffallend großgewachsene Neger, vierschrötig und von ebenholzfarbener Haut, mit sehr weißen, nicht selten gespitzten Zähnen, wie in der Mission gemunkelt wird, die nackt sind bis auf die traditionellen Penisfutterale aus Jade und Altsilber. Bei Gott, die Vorhut des Dschungelkönigs, vor der der Baedeker so eindringlich warnt, die drohend in Langhörner aus intarsiertem Elfenbein stößt, daß es Umstehenden eine Warnung sei, und die kupferbeschlagene Knüppel führt um dem unumstößlichen Vorrang des Herrschers, so ein Narr tatsächlich die Stirn besäße, sich nicht instinktiv von der Schmalseite zu zeigen, auch physisch Geltung zu verschaffen.



13. Juni 2012