Ergreift Hausierer und werft sie den Tieren vor

Das unaufgeforderte Läuten gilt als lässliche Belästigung, ist aber tatsächlich, wenn auch in kleiner Münze, ein Angriff ohne Kriegserklärung, die den Mann, der an der Klinkenseite der Türe lebt, in jeder Hinsicht dazu berechtigt in aller Härte zu parieren. Erlauben Sie mir, daß ich Ihnen die Quintessenz meiner Betrachtung bereits im ersten Satz vor den Latz knalle, wie auch der Hausierende sofort in medias res gehen muss, um der Situation eine wenigstens geringe Chance auf Erfolg abzutrotzen.
Ich trug ein verschossenes Leibchen, das mit einem mehrfarbigem Aufdruck versehen ist, das den Träger, in diesem Fall mich, als Anhänger der reykjavíker Elektropopformation GusGus ausweist, ferner lediglich Boxershorts, deren hochwertig merzerisierte Gewebequalität allerdings Glied und Hoden schmeichelte – soviel zu den äußeren Umständen; in diesem Aufzug, leger bis zum äussersten also, ging die Glocke und ich öffnete, ein Highballglas in Händen haltend.
Vor der Tür zwei pomadisierte, untersetzte, verschlagene Beamtenexistenzen in erbspüreefarbenen Anoraks und mit hellbraunen Lederumhängetaschen, als seien sie von der Staatssicherheit. Der eine der beiden kämpfte, meiner angesichtig werdend, mit einem verständlichen Fluchtimpuls, der andere fächerte mit wieselhaftem Gestus ein Konvolut von Broschüren vor meinem Auge auf und preschte mit einer als Gesprächseinstieg designierten Suggestivfrage vor: Zeugen Jehovas! Der Typus des forschen Hausierers, der noch vor wieder geschlossener Türe werbliches deklamiert, wohl auch, in diesem Fall, bestärkt durch den vermeintlichen Beistand des Herrn.
Noch am gleichen Tage klingelte es erneut unerwartet: ein Vertreter für Türspione. Dieser, ein Hausierer von besonders trauriger Gestalt, dem sich das abgewiesen werden bereits tief in Physiognomie und Habitus eingeschrieben hatte. Eine Aura von hündischer Devotheit, die bei älteren Damen und Frauen im allgemeinen, wenigstens zwischen Tür und Angel, womöglich mehr fruchtet als man annehmen mag – das Mitleid. Nachdem die Türe ins Schloß gefallen war, litt ich noch Stunden später gedanklich an der schwindelerregenden Rekursivität, die der feilgehaltenen Ware innewohnt: ein Türspion um Verkäufer von Türspionen im Vorfeld zu erkennen und nicht zu öffnen.
Zwischen missionarischen oder pekuniären Motiven unterscheide ich nicht.
Mehr noch als an der Tür klingelnde, fallen Telefonanrufer mit der Tür ins Haus: menschlicher Spam, Schweine also, die in das Kleinreich eines Mannes einrücken wie Kreuzritter in heidnisches Gebiet oder die Wehrmacht in Polen. In der Rückschau lehnt eine Majorität dies ab.

Neulich musste ich im Rahmen eines informellen Essens verhalten schmunzeln, als jemand die Todesstrafe für Kindsmörder forderte und praktisch, offenbar ohne humoristische Hintergedanken, das Schafott für diesen Tätertypus vorsah. Unisono betont ruhige, wenn auch mit rechtsstaatlichem Impetus vorgebrachte Distanzierungen, erhebliches schmerzbedingtes grimassieren setzte ein und ein zügiges Umlenken des Gespräches in affirmativere Gefilde.
Werft Hausierer den Tieren zum Fraße vor, fordere ich sehr bestimmt, dann stellt sich auch nicht das Problem, das Thomas Coryate, der 1608 zu Fuß durch Europa reiste, beschrieb, daß vielerorts an Galgen und auf Rädern Gehenkte bzw. Geräderte nach Eintreten des Exitus einfach liegen- oder hängengelassen werden und folglich verwesen auf Kosten der frischen Luft. Bitte bedenken Sie, daß der Tourismus damals noch nicht einmal in den Kinderschuhen steckte und der Engländer im Ausland Lateinisch sprechen musste.



2. Februar 2012