In der Dienststelle
Meinen Lohn verdiene ich mit dem Betrachten von geplanten Fernsehprogrammen. Die schlecht bezahlte Tätigkeit besteht darin, daß ich, die Sendungen betreffende Fragebögen ausfülle. Blicke ich, vom Fernsehen und Ankreuzen gelangweilt, aus dem Fenster meines Arbeitsraumes der im dritten Stock eines Vortstadthauses gelegen ist, so sehe ich das ältere Ehepaar aus der Einliegerwohnung im Erdgeschoß. An der Decke über mir summt und knackst eine bläulichweiße Neonröhre; die Räume sind, wie die Verwaltung angibt, aus technischen Gründen vollklimatisiert. Der Mann, den ich durch das Fenster beobachte, zerrt, mit seiner Frau lautlos streitend, einen schäbig gewordenen beigefarbenen Teppichboden auf die vor dem Haus gelegene Rasenfläche.
Ein Benzinkanister steht bereit. Alter Gewohnheit folgend verbrennt die schlechte Mietpartei alle Abfälle selbst. Häufig ist das Haus eingehüllt von schwarzem, beissenden Rauch wenn ich zum Dienst erscheine. Selbst wenn ich das Haus auf leisen Sohlen durch den Hintereingang betrete, öffnet sich die Wohnungstür des Ehepaares, dabei den Blick auf eine dampfende Garküche freigebend, in der bei nächtlicher Wilderei erlegte Tiere zubereitet werden, und einer oder beide erscheinen im Hausflur, sich die Hände an Arbeitshose oder Schürze abwischend, um mich mit falschen Schmeicheleien zu umgarnen, mich so gar zu einem Besuch in dem durch einen Elektroradiator erhitzten Wohnzimmer zu nötigen. Man tritt sehr nah heran, greift nach meinem Arm. Kaltes Lächeln schlecht eingesetzter Goldzähne.
31. Oktober 2006
Klingt ja verlockend – sowohl die Tätigkeit als auch die Nachbarschaft ;-)
Beim Institut für Rapid Eye Movement, nehme ich an. Acht solide Stunden lang, ein typischer Arbeitstag.
In einigen Teilen offenbar ein Wahrtraum.