Mir fällt ein Möbelwagen von Herzen
Heute sah ich in einem kleinen stadtnahen Birkenhain einen neuen, alten Teppich der dort zu nächtlicher Stunde abgeladen wurde. Was wäre, wenn es sich bei solchen Beobachtungen nicht um das Werk asozialer Verbrecher handelte, sondern um eine übliche, vom Design antizipierte Form der Entsorgung? Ich stelle mir das folgendermaßen vor. In einer absehbaren Zeit mit schwindenden Erdölressourcen werden speziell in Hinblick auf hohen Grünmasseertrag gezüchtete Pflanzen zum führenden Rohstoff. Gentechnisch veränderter Raps oder anderweitig modifizierte Ölsaaten, deren Trester — also Pressrückstände der Kraftstoffgewinnung — in flüssiger oder pelettierter Form als Grundstoff für die Herstellung der verschiedensten Gebrauchsgegenstände dient. Produkte mit einer bewusst niedrigen Lebenserwartung, die ihre Form und Funktionalität vermittels eines netzwerkfähigen 3D-Druckers erhalten. Das heißt keine als halbtoll empfundenen, mit Rotwein oder Katzenkotze beschmutzten Teppiche mehr, keine Waschmaschine, die altersschwach Rost auf die Kleidungsstücke speit. Ex und Hopp — eine neue sorglose und lustvolle Form des Wegwerfens und neu Erschaffens. On-Demand würden heute vielleicht manche sagen. Lediglich die Software für die Herstellung, also das dreidimensional digitale Modell des gewünschten Objektes würde verkauft werden, der Fertigungsprozess selbst würde aus zentralen Industriegebieten in den Haushalt des Konsumenten verlagert werden, womit zudem der lästige Transport materieller Waren entfiele. Der universal verwendbare Rohstoff für die Herstellung entstammt als Abfall der lokalen Treibstoffproduktion. Ein dreidimensionaler Drucker, der Kohlenstoffverbindungen zu klirrend harten Sägeblättern verdichtet oder zur anschmiegsamen Behaglichkeit eines Pyjamas webt. Nach einem beliebig kurzen Nutzungszyklus kann der so gefertigte Gegenstand geschreddert werden und beispielsweise als vollwertige Sättigungsbeilage, dem herkömmlichen Futter beigemengt, der Katze serviert werden oder eben auf dem Komposthaufen verrotten.

© NASA Ames Research Center
Nun könnte man einwenden, daß leichte biologische Abbaubarkeit die Nutzung beeinträchtigen könnte. Kurz gesagt die Produkte wären nicht funktional, denken wir z.B. an Salatschüsseln oder — ganz schwierig — Blumentöpfe, da diese gegebenenfalls bereits während der eigentlichen Verwendung zerfallen würden. Dies führt mich zum zweiten Teil meines Planes; die Produkte erhalten eine rudimentäre Form von Intelligenz. Teil des Materials wären produktspezifisch eingesetzte Bakterienkulturen, die die Struktur des Material bilden oder im Falle einer längeren Nichtnutzung den Zusammenhalt der Materie aufheben. Mikroorganismen, die in ihrer Dehydriertheit vergleichbar sind mit den Urzeitkrebsen, die einst der Jugendzeitschrift Yps beilagen, welche nach der Nutzung erwachen und das sie umgebende Material als Nahrungsquelle nutzen. Bakterien, die sensitiv sind für Wärme, Strom, den Geruch des Menschen, oder im Falle der Salatschüssel empfindlich gegenüber der Säure des Essigs oder den Fettsäuren des Salatöls. Produkte, die aufgrund Ihrer Größe erwartungsgemäß direkt in der Umwelt entsorgt werden, wie Teppiche oder Sofas, würden direkt bei der Herstellung mit schnell keimendem Saatgut oder Pilzsporen angereichert werden. Natürlich würde auch das Produktdesign, den veränderten Produktionsmethoden gemäß, eine grundlegend andere, weniger mechanische Form haben als heute. Vielleicht vom Prinzip her ähnlich wie die organischen Spielekonsolen und Waffen in dem sehenswerten Sciencefiction-Film eXistenZ.
14. Dezember 2006
haben sie mal lem gelesen? was sie dort beschreiben kommt in mehreren seiner bücher vor. über den rohstoff steht dort zwar nichts, und je nach dem ist die „intelligenz“ der produkte auch eine künstliche (eden, transfer (hier insbes. kleidung!), lokaltermin). übrigens sind derartige produkte bereits in der entwicklung, ich hab da noch irgendwo einen artikel rumfliegen.
merkwürdigerweise hab ich vor ca. 1/2 jahr ein ganz ähnliches foto verwendet, um einen artikel zu „transfer“ zu illustrieren…