Motiv Großstadt und Probleme des Transports
Unversehens befinde ich mich in einem großstädtischen Tableau, einer Szene wie aus einem Bilderbuch, mit deutlichen Darstellern und emblematischen Ereignissen auf denen die dicken Finger von Kindern ruhen. Ein großes Auto hat sich auf der Fahrbahn quergestellt und ein kleines Auto ist in die Seite gescheppert. Alles kaputt. Der Fahrer des großen Autos steht auf der Straße und raucht lässig eine Zigarette, an sein rechtes Ohr hält er ein Telefon und spricht selbstsicher. Die Fahrerin des kleinen Autos ist auf ihrem Sitz zusammengesunken und schämt sich. Offensichtlich ist die Frau schuld. Ohne kleine Autos, keine großen Autos. Ich verlasse gerade eine Kleingartenanlage in der die Bäume knospen, einige blühen schon. Die Krume ist feucht und ein Hund kotete mit konzentrierter Mimik. Die S-Bahn donnert über einen nahegelegenen Bahndamm, daß die Büsche wogen. Eine kleine Kapelle tritt auf. Drei schnauzbärtige dunkle Männer, deren Oberbekleidung aus tarnfarbenen Uniformteilen und Turnhosen mit mangelhafter Paßform besteht und Schuhen, die am Hacken heruntergetreten sind. Schiefgelatscht, von mäandernden Falten zerbrochen. Und sie musizieren mit einer Trompete, einem Akkordeon und einer kleinen Trommel zum umhängen, inbrünstig, als trügen sie eine stumme Moritat vor, die von einem ethnischen Krieg berichtet. Und ein anderer Mann im Hintergrund hält Farbausdrucke in Din A 4 hoch, die belegen sollen, wie verschlagene Institutionen den Himmel verfinstern mit Flugzeugabgasen; der Mann hat nur noch wenige Zähne; ein vergilbter Schneidezahn ist sichtbar und er bittet um die Aufmerksamkeit der Menschheit. Ein Behinderter sitzt in seinem Rollstuhl und zuckt hospitalistisch. Eine Hälfte seines Gesichtes scheint zu fehlen, die Haut ist scharlachrot verfärbt und von geschwollenen schwarzen Warzen übersät. Der Behinderte steckt sich mit der Hand ein Wiener Schnitzel in den Mund; sein Mund ist sehr groß, ein Schlund vielmehr und dunkle Nüstern die unregelmäßig pfeifen. Die Szene ist schmerzhaft interessant und wird durch jenseitige Flaschensammler zu einer dixschen Collage des Leidens ergänzt. Mehr noch als das hübsche blonde Mädchen mit den feuchten braunen Augen, die anmutig Pralinés aus einer transparenten rosa Cellophantüte fischt.
11. April 2008
Sie schreiben so, daß man den Schmerz sehen und die Bilder fühlen kann.