Herr No kauft eine Hose
Wünschen Sie eine Tüte fragt die Kassiererin, genaugenommen ihre Assistentin, deren Aufgabe es ist, die verkauften Kleidungsstücke einzupacken. Man trägt wieder figurbetont dieses Jahr. Sie hat einen stattlichen Speckring um die Hüften, der zu gleichen Teilen unter dem Oberteil und aus dem Bund der Hüfthose hervorquillt. Kunden, die mit Karte zahlten werden namentlich verabschiedet und manisch angelächelt. Das bizarre Lächeln eines Cyborgs — halb Maschine halb Rauschegoldengel. Scheinbar sind alle Beschäftigten des Modehauses in Wirklichkeit Avatare bei Second Life, das ist nur sone Art Nebenjob hier. Es ist absurd, selbst für den Herrn wird soviel Überkandideltes angeboten. Als hätte man Vivienne Westwood — während sich diese von einer schweren Grippe erholte — gebeten, DDR-Jugendmode in ihrem Sinne zu überarbeiten.
Für einen Mann in den besten Jahren stellt sich die Frage, wie lange er zu diesem infantilen Zirkus noch gute Miene machen soll. Lediglich Sportswear oder vorzüglich geschnittene Anzüge kommen wohl für mich mittelfristig noch in Frage. (Meine athletische Idealfigur spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, es handelt sich um ein Designproblem.) Schließlich eine Niethose der vergangenen Saison gekauft — herabgesetzt. Ja, selbstverständlich wünsche ich eine Tüte. Entweder Plastiktüten oder Auto fahren. Irgendwann ist das Öl alle und Holland steht unter Wasser. Dann schon lieber Plastiktüten, die behaupten sich auf der Deponie neutral verhalten zu wollen. Diese also nach Gebrauch nicht in den Müll geben, sondern entweder irgendwo zehn Meter tief verbuddeln oder anderweitig (nicht verbrennen!) der Wertschöpfungskette entziehen. Plastiktütenmessie, ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz.
2. März 2007