Deutschland schenkt den Ostlern eine Autobahn

Mit dem eigenen Kraftwagen zu reisen ist beängstigend, wohl schon immer gewesen, es handelt sich schließlich bei Autobahnen in jeder Hinsicht um Orte des Grauens die Adolf Hitlers morbiden Gehirn entsprangen. Das Fahren selbst ist bereits ein reines Vabanquespiel, aber selbst wer Manns genug ist sich nicht dem Sekundenschlaf hinzugeben oder unglücklich nach einem unter den Sitz gerollten Orangensaftverschluß zu tasten, schwebt in steter Gefahr, Opfer eines auf der linken Spur – aufgrund ungünstiger hormoneller Einstellung – mit zweihundertsdreißig Sachen, forsch heranbrausenden Handelsvertreters zu werden. Oder diese längs der Fahrbahn angebrachten, visuell leicht zu erfassenden, braun-weiß illustrierten Schilder, zum Behuf, dem Reisenden Naturschönheiten oder historische Bausubstanz schmackhaft zu machen und so listig in die erbärmliche potemkinsche Fachwerkhölle der Provinz zu locken. Wer nichts hat, wie das wüstenartige Territorium der ehemaligen DDR beispielsweise, versucht vermittels Blechschild wenigstens zu behaupten, die Landschaft sei lieblich, oder eben historisch, selbst wenn es sich offensichtlich um verbrannte Erde handelt und man im zügigen Transit durch die getönten Seitenscheiben größere Gruppen gewahrt, die sich am Samstagabend auf einsamen Tankstellen unsäglicher Ortschaften trafen um ihr Elend mit Branntwein zu betäuben. Zum Glück ist Westdeutschland jedoch so generös, in den betroffenen Landesteilen recht schöne Windkraftanlagen zu betreiben um so den verhärmten Menschen des ehemaligen kommunistischen Unrechtsstaates wenigstens etwas Erhabenheit und Lebensfreude zu schenken. Weiter, bloß weiter, lautet hier die Devise des Kraftfahrers!

Eine Gaststätte aus Beton, die einst ein sich kühn wähnender Architekt in futuristischer Absicht über die Schnellstraße spannte, auf das die Besucher, beim Speisen von Schweinenieren an Letschokroketten auf eine scharfe Fahrbahnkurve blicken können, in der vagen Erwartung schicksalhaft entfesselten Stahles an Feuerball. Jedoch nicht nur die schlauchartige Gaststube, auch die Sanitärraume und Parktaschenbereiche draussen sind von schrecklich langsam und zombiehaft vorwärtstaumelnden Menschen überflutet auf der Suche nach Bratfett und Benzin. Verwachsene, bei denen sich bleiches Fettgewebe an ungeahnten Stellen nach aussen stülpt, so grobschlächtig, bedrohlich und zugleich ungemein weich, daß sich die Nackenhaare des wohlweißlich an kurzer Leine gehaltenen Jagdhundes aufrichten und die Lefzen des Tieres zu zittern beginnen. Die Diagnose des Hundes ist klar und richtig, es herrscht hier ein Überfluss an gutem weichen und fettreichen, leicht zu reißendem Menschenfleisch. Allerdings darf man dem Drängen des domestizierten Raubtieres nicht nachgeben, er wird schließlich primär deshalb gehalten, da sein lockig fallendes Fell recht schön glänzt und die schwarzbraunen Augen so treu blicken; das Ausagieren des Jagdtriebes sollte unterbunden werden, der Gesetzgeber sieht es so vor. Später dann, in einem waldreichen Hügelland, warnen Schilder, die einen stilisierten, im Sprunge begriffenen Rehbock vorstellen, vor dräuendem Wildwechsel. Nicht auszudenken, wenn Damwild leichtsinnig und in falsch verstandener Wildheit seine zweifelhafte ökologische Nische verlässt und in arttypischer Blödheit über die Piste sprengt, dort auf einen in Reisegeschwindigkeit befindlichen Kraftwagen trifft, daß das zerschmetterte Wildbret schrapnellartig durch die geborstene Frontscheibe in die Fahrgastzelle eindringt und so vielleicht eine Kleinfamilie ausradiert. Dann hat man nämlich mal Pech und Prostataprophylaxe, Bausparvertrag, Seitenaufprallschutz und alles waren für die Katz.



14. Juli 2008