The FPÖ took my baby away

Gerade als ich mich anschickte, in der, dem Fremdenzimmer angegliederten Küchenzeile ein proteinreiches Frühstück zuzubereiten, zwei Eier zur Hand nahm, die eine naturgemäß freiheitlich gesinnte Henne noch im Morgengrauen aus ihrem Vaginaltrakt presste, Setzeier also an Baked Beans, in Anlehnung an die frühmorgendlich zelebrierte britische Opulenz. Nun gewahrte ich aber vor dem zur Straße weisenden Fenster verschiedene Geräusche, mich dünkte zunächst es handelte sich um einen unter Schalmeienklängen durchgeführten Aufmarsch des Österreichischen Turnerbundes, oder einen dieser inszenierten Almabtriebe, der die Sommerfrischler in die Lage versetzt, recht kitschige Digitalbilder aufzuzeichnen; in Wirklichkeit werden die Tiere in schalldichten Lastkraftwagen abtransportiert um im Tale endgültig der landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette zugeführt zu werden. Doch Nein, als ich die moosgrünen Fensterflügel aufstieß, meinen Leib zwecks Einsichtnahme über das prächtig im Bergwind wogende Geranienbouquet in Landesfarben beugte, bot sich meinem Auge ein kummervolles Bild. Drunten in der Haarnadelkurve lag ein verunfallter Kradfahrer auf dem Asphalt, merkwürdig verdreht und gebrochen, in seinem schwarzen Lederhabit wie ein überrollter Salamander, umringt von Sanitätern, Schutzleuten und Kameraden, aus deren Gesichtern die männerbündlerische Forschheit gewichen war, zugunsten einer gewissen Fahlheit des Teints. Handelt es sich um ausgeflossenes Motorenöl, welches die Fahrbahn glänzen lässt? lautet einer meiner Gedanken in diesem Momente als ich einen Schluck frische Bergmilch aus einem Glase nahm in dem Walderdbeeren schwammen. Da riss aber die graue Zirruswolkendecke am Firmament auf, ein Lichtstrahl fiel hernieder auf die Szenerie, den Leblosen, die Umstehenden, das zusammengefaltete Motorrad mit den unsinnig verdrehten Räder und der Engelschor stimmte ein Lied an, begleitet von Harfen: Siehe, es handelt sich mitnichten um Motorenöl, Blut, rot wie Wein, ist es was dort den Asphalt netzt. Nun jedoch fiel es auch mir wie Schuppen von den Augen, der Herr nahm den unkonzentrierten Fahrzeugführer zu sich und der Ambulanzwagen fuhr schließlich gemächlich gen Tal ins Spital nach Spittal, ohne das Martinshorn einzuschalten — heuer pressiert es nicht. So ist er der Herr; unerforschlich wie gesagt wird, ganz schön cholerisch dachte ich aber bei mir, als ich die kernledernen Wanderstiefel schnürte, die ich am Vorabend peinlichst fettete, wies doch das mir vorliegende Meßtischblatt, ein am Fuße der zu durchsteigenden Hafnergruppe liegendes Hochmoor aus, aufbrausend also und in seinem Handeln ebenso flatterhaft wie gnadenlos, wie sich bereits der Bibel entnehmen lässt, die ich zu meiner Unterhaltung dort als leichte Bettlektüre zu lesen pflegte. Schließlich handelt es sich bei der Bibel um ein sehr erfolgreiches Buch, dessen Autorenkollektiv sich seit seinem Erscheinen einer wachsenden Anhängerschaft erfreuen könnte, würde es nicht längst die Radieschen von unten betrachten. Ein fanatischer und rücksichtsloser Fanclub hat sich um den Schmöker gebildet, der heute noch ziemlich krass rumnervt und bereits seit zweitausend Jahren hooliganartig umherreist um alles kaputtzumachen und Indianer anzuzünden. Kurzum ein nachhaltiger Erfolg, den andere namhafte Schriftsteller wie Stephen King oder Thomas Mann mit ihrem offenbar literarisch weniger inspirierten Werk nicht zu erreichen vermochten. Man kann sich den Herrn in etwa als unsichtbare, gleichsam graue Eminenz vorstellen, ähnlich wie Robin Masters, der ständig erwähnt wird, dessen Gestalt aber nie näher beschrieben wird. Nun muss ich aber eingestehen, daß ich das Buch noch nicht ausgelesen habe, und in guten Romanen durchläuft ja der Protagonist eine Wandlung und verlässt das Buch anders als wie er es betreten haben tat. Ich meine jedenfalls feststellen zu können, daß der Herr am Borderline-Syndrom litt, am Anfang, als er euphorisch die Welt schuf; dann plötzlich wirkt alles irgendwie Scheiße: Sintflut, zack weg. Oder in diesem Garten Obstgehölze bereitzuhalten und dann, als sich Eva auf Anraten der Schlange an den zweifelsohne knackigen und fruchtig wirkenden Früchten schadlos hielt, gleich so unverhältnismäßig auszurasten. Bekanntlich raten ja führende Ernährungswissenschaftler zu mindestens fünf Portionen Obst täglich; Eva konnte also ihren Vitaminhaushalt gar nicht vollumfänglich decken und wurde für ihr gesundheitsbewusstes Handeln zudem noch mit Geburts- und Regelschmerzen gestraft. Meines Erachtens neigt der Herr also zu Überreaktionen und spielt sich in den ersten Seiten des Erfolgsromanes als manischer Kontrollfreak auf, beispielsweise als er dem Zimmermann Noah, die genaue Bemaßung der Arche vorkaute, weil er ihn bezüglich Schiffbau offenbar nicht für beschlagen genug hielt. Der Herr hatte kein Vertrauen in seine Schöpfung und konnte folglich nicht delegieren. Vielleicht wird der Herr im zweiten Teil des Buches noch etwas lockerer, mal sehen. Ansonsten geht es die ganze Zeit nur darum, wer mit wem schläft, ferner jede Menge konkret krasser crime-content, wie Brudermord und spermageile Dreilochstuten, die ihren hinfälligen Vater alkoholisieren um sich in listiger Absicht nächtens in einer Art Kellerverlies von ihm schwängern zu lassen; mir ist das ehrlich gesagt über weite Strecken zu explizit oder zu langweilig.

Wer nun im schönen Kärnten rüstig ausschreitet, sieht sich am Wegesrand allenthalben mit hölzernen christlichen Darstellungen konfrontiert; Jesus, wie er blutet, oder zahllose Reihen geschnitzter Tafeln, die darstellen, wie der wohnungslose Monteur genau gefoltert wurde. Wissen Sie was? Dieses Christentum ist ganz schön morbid! Wieso nicht mal die schönen Seiten zeigen? Jesus, der das Wasser teilt oder knifflige Cateringaufgaben pfiffig löst. Hier ist die Kirche gefordert, aber sicher scheitert auch der gemeine österreichische Holzschnitzer an der Aufgabe solch lichte, wenn auch komplexe Szenen darstellerisch zu lösen. In gewisser Hinsicht ist ja Österreich wie Ostdeutschland, das merkt man sehr schnell, wenn man sich die aufgestellten Schilder oder die Zeitungen durchliest. Allerdings sind die hier lebenden Nazis recht höflich, grüßen im Stiegenhaus, und besteigen nach getaner Arbeit, gegen acht Uhr dreissig morgens etwa, die höchsten Berge der Welt ohne künstlichen Sauerstoff und im Alleingang (zugunsten des Vaterlandes) oder rezitieren im stillen Gebet das Ave Maria, während sie im frisch gebügeltem Tennishemd den Gegner bravourös vom Platz fegen. Wer hat’s erfunden? Ein österreichischer Anstreicher, der in Form einer schwulen Ratte reinkarnierte, die heuer von Wahlplakaten den Kraftfahrer naturgemäß rattenhaft anblinzelt und für rassische Hygiene und Aufnordung plädiert. Man kann diese Botschaften recht gut nachvollziehen, begegnen einem doch in Kärnten auf Schritt und Tritt Neger, Ausländer, Hottentotten und Zigeuner, insbesondere bei Bergwanderungen, wo sich das Pack leider zunehmend in Murmeltierbauten einnistet. Aber es ist ja nicht alles schlecht im Staate Österreich, wie gesagt werden muss, die kühn den Alpenhauptkamm durchschneidende Tauernautobahn etwa oder der Apfelstrudel, welcher mit großglocknergleich aufgetürmtem Schlagobers serviert wird und zweifelsohne als Gedicht bezeichnet werden kann.



9. September 2008