In Douglasiengehölzen
Hinter dem Fahrer schubbert eine Motorsäge über das Blech. Der Waldweg ist kurvenreich und uneben, in den Löchern steht Eiswasser. Dann wird die Luft blau vom Benzin und Metallzähne reissen eine Spanparabel aus dem Stamm und ein Kreischen in die Hügel. Doch das Material ist müde plötzlich, aus technischen Gründen; die Kette fährt rasch herum, ein Geräusch, als schlüge man mit einem Ast in ein Schlammloch. Schließlich kehrt die Stille zurück; die Braunerde ist benetzt. Es kommen die Tiere, es kommt der Schnee.
82% aller Befragten wünschen sich einen spektakulären Tod als Klimax eines abenteuerlichen Lebens. Doch das geht leider nicht. Nicht jeder kann einen Weltkrieg anzetteln oder sein Innerstes epochal auf Leinwände auftragen. Folglich breiten Rettungssanitäter meist eine Decke aus und stecken sich eine Zigarette an.
Ein kleines Häschen presst neugierig, sein von Schleim verklebtes Haupt aus der flauschigen Vagina einer liebevollen Hasenmama, die über zwei recht große, bernsteingleiche Knopfäugelein verfügt, tapst unbeholfen in eine herrlich saftige Frühlingswiese hinaus, auf der die schönsten, die allerschönsten Frühblüher ihre kessen Köpfchen dem Tage entgegenrecken und glücklich summend den labsalspendenden Sonnenglast trinken. Irisierende Tautropfen gleiten glitzernd von grünen, sehr kräftigen Blättern der durstig dunkelbraunen Scholle entgegen und in der Ferne des Frühnebels gluckert heiter ein weißer Bach über kugelrund geschliffene Steine, mündet schließlich malerisch mäandernd in einen baumbeschatteten See aus Stutenmilch, in dem Wölfe und Schwäne baden. Über allem spannt sich ein farbenfroher Regenbogen und darüber wölbt sich das Weltall, königsblau und gähnend und wenn das Weltall weint, purzeln weißglühende Sternschnuppen herab. (Disclaimer: Die Sternschnuppen sollen in Wirklichkeit keine Tränen sondern eher gefallene Engel oder so vorstellen.)
Schwarze Helikopter schwirren hektisch hin und her, wie Hummeln, die wie Helikopter wirken. Aus einer brennenden Chemiefabrik entweicht ein zäher, blasenwerfender Strom aus Hantaviren, bleichen Madeneiern und kotzeartiger Dioxinpampe.
In einem feinen Blutnebel, der die Szenerie in ein hübsches rosa Pastelllicht taucht, stehen bärtige Terroristen im Mittelgang eines Linienbusses und feuern zähnefletschend aus leichten Schnellfeuergewehren auf die Passagiere, daß die inneren Organe der Reisenden schmatzend durch die Luft flattern, als seien sie Schmetterlinge im Lenz. Europa steht unter Wasser. Alle Holländer sind tot. Aus den Schlitzen der Geldautomaten ragen rostige Aidsnadeln und Susi muß den Tennisunterricht heute sausen lassen, da der Geländewagen ihres Partners nebst zwei hochbegabten Kindern bei der Rückkehr aus dem Vogelpark Walsrode von einem Atommülltransporter, dessen Fahrer für einen Augenblick unaufmerksam war, da er eine CD von Erik Satie einzulegen wünschte, erfasst und zermalmt wurde. (Die Unfallstelle wurde vermittels Warndreieck ordnungsgemäß als solche ausgewiesen.)
14. November 2008
Schöner sterben. Nur die Erwähnung des Vogelparks Walsrode irriterte mich, war der doch mindestens alljährliches Ausflugsziel in meiner niedersächsischen Kindheit. Grauenvoll.
Ich finde, Sie hätten die Beschreibung der Szenerie durch einen Link auf ein Werk Saties vervollständigen können.
Nun muß der Leser wieder selber lernen (was ich tat).
Dementsprechend ausgestattet liest sich Ihr Text gleich doppelt gut. Hübsch, mein Lieber, sehr hübsch das Ganze !
Man möchte tanzen.