Was wie Ambrosia wirkt, ist tatsächlich angetaute Tiefkühlasiapfanne
Das Schnäbelchen pocht energisch von innen an die Schale, daß ein erster Riss entsteht. Ein Entenküken begehrt Einlass in die Welt. Die Welt ist gut, die Welt ist schlecht; gleichsam ein fertiger Holzschnitt, der aus dem Fernseher purzelt, auf die Auslegware: es ist die Wahrheit; darauf haben Künstler in verschiedenen Arbeitstechniken Wirklichkeitsebenen und Deutungen, im wesentlichen vermittels Aquarellfarben, auflasiert, aber auch gespachtelt und mit Wachsmalstiften hingekrakelt. Bitte nehmen Sie es so, wie es ist. Im Gefieder des juvenilen Ententieres, wird einst eine Milbenart ihr Domizil aufschlagen, wird dort, sehr gelassen ihren evolutionären Plan weiterverfolgen, das Leben in Entengefiedern noch zweckmäßiger zu gestalten. Die Welt feilt an den Nukleinsäuren, die weise Milbe lässt geschehen.
Schnellzüge stampfen durch Bergtunnel und Astronauten, deren Augen aus Bergkristall gefertigt sind, steigen ins All hinauf und die Welt hüllt sich in Schwefelqualm.
Stakkatohafte Technobeats peitschen durch die Bohnerwachsgänge eines Hochbegabten-Internats ob Davos. Marie-Luise, designierte Bestsellerautorin, Eisprinzessin, Tennis-Ass und Ausnahmepianistin in spe, des Studienrates jüngstes Töchterlein, ein Backfisch von siebzehn Lenzen, sitzt, lediglich mit einem Ich ziehe Otterbabys dem zweiten Weltkrieg vor-T-Shirt bekleidet, unweit des Fensters, an einem Russentisch und ihr zartes Koksnäschen kräuselt sich recht reizend, als ein Leuchtmittel über ihrem güldenen Lockenkopfe erscheint, da ihr augenblicklich Schuppen von den Augen fallen: Gewiss, Hedonismus lautet das Lösungswort! Die Buchstaben nun flugs aus den Überschriften führender Lifestyle-Magazine ausgeschnitten, mit Nagellack und Glimmerstaub zusammengepappt, sodann gefaltet, zu einer Origami-Hydra mit vorknisternden Trotzköpfchen, die im Chor rufen: Siehe, Miniaturisierung und Beschleunigung wird da sein, ein apokalyptisches Rumoren und Schaben; mehr sollt ihr nicht erwarten. Aber das ist ja auch schon allerhand und nicht Nichts, denkt man, im Transit eine kleine Siedlung von feinstaubmatten Wohnwagen gewahrend, die sich hinter die Böschungskante einer Ausfallsstraße ducken, an der nubische Prostitutierte in die Fahrerkanzeln rumänischer Berufskraftfahrer steigen um ihnen zu dienen. Die Bewohner essen hier zerhackte Tiere in brauner Soße, sie haben schwarze Zähne und ihre grindigen Füße schubbern träge über schäbige Acrylteppiche mit Brandlöchern darinnen. Alle hier Lebenden sind abhängig von einer Droge, die aus den gemahlenen Leibern von Tausendfüßlern gewonnen wird. Der schorfartige Podsolboden, draussen, vor den Hängern, ist altölbeschmiert und übersät mit leergefressenen McDonald’s-Verpackungen; ein Habitat der allerneuesten Schimmelkulturen und des Tschernobyltäublings, der, Pilzkundler werden es wissen, durch eine Wanderungsbewegung hierher geriet.
Der feine Herr Studienrat, des Backfisches alter Herr, wir erinnern uns, sitzt an einem anderen Ort, bei einer lauwarmen Tasse Kamillentee nebst zwei ungesüßten Haferkeksen, im Lichtkegel einer formvollendeten Stehlampe und beschriftet Post-It-Zettelchen mit peinlichst akurater Sütterlinschrift – Nonpareille versteht sich, das Material will schließlich genutzt sein. Kleine Bildungssentenzen und geistreiche Aperçus, Meyers neuem Lexikon oder Goethes Tagebüchern entnommen, die sodann in einen schweinsledern gebundenen Baedeker-Band eingeklebt werden, mit knöcherner Studienratshand, fein säuberlich, der feine Herr Studienrat gedenkt eine Reise zu unternehmen, zur Zitronenblüte – heim in den Schoß der Klassik.
14. Februar 2009
Meine Tochter, nur wenige Lenze älter als der von Ihnen beschriebene Backfisch, brüskierte mich unlängst vor versammeltem Damenkränzchen , das nur der Form halber als solches deklariert wird, in Wahrheit treffen wir uns montags jeweils zu einer gepflegten Haschkeksverkostung, dieses mein Kind also, welchem mein ebenfalls graduierter Gatte und ich eine reichlich kostspielige Privatschulbildung haben angedeihen lassen, überreicht mir anlässlich eines unangekündigten Kurzbesuchs ein halbärmeliges Baumwollhemd, weiß, auf dem in unüberlesbar großen, roten Lettern steht:
“ I love boys „.
Wozu, frage ich Sie, versucht man vermittels teurer Bildungsanstalten die eigene Brut auf den rechten Weg zurückzuführen und zweitens frage ich Sie:
gibt es tatsächlich heutzutage noch Studienräte, die die Sütterlinschrift beherrschen ?
Alles andere ist zweifellos ganz genau so, wie Sie sagen.
Die Pappenheimer sind mir wohl bekannt. Heranwachsende, noch grün hinter den Ohren, in deren Herzen die Altvorderen ein musisches Pflänzlein zu erblicken meinen, womöglich von anmutiger Gestalt, ein blaues Blümelein gar, werden in eigentlich allen Internats-Anstalten völlig gebrochen und zertreten, unweigerlich verkümmert alles, was einst licht und fördernswert schien. Oft kehren insbesondere jene Knaben und Mädchen aber, in deren Adern der Weltschmerz brandet, die daheim unter strenger Ägide ihren Talenten zu frönen hatten, als gebrochene Existenzen, nicht selten als Rauschgiftabhängige in die von Fassungslosigkeit und tiefster Pein verkrampften Arme der Eltern zurück. Seien Sie darum froh und dankbar ob Ihrer Fortune, daß nur ein abgeschmackter Nicki, mit dem es Ihrem Sprössling beliebte, Sie zu düpieren, beredtes Zeugnis ablegt, wie stark Ihre Tochter, in den Fängen eines – der schönen Sütterlinschrift sicher nicht mächtigen – Lehrkörpers, aus der Bahn des bürgerlichen Lebens geschleudert wurde – ja, offenbar verwahrloste, wie eine ungestutzte Ligusterhecke.
Im übrigen weiß ich sehr wohl, wer Sie sind; Ihr Pseudonym (wohl im Rahmen Ihrer montäglichen Spacecake-Eskapaden ersonnen, was?) ist nicht im Stande mich zu täuschen – mich nicht; aber ich versichere Sie, Verehrteste, den Mantel des Schweigens über ihre Identität zu decken und erhoffe inständigst, ja Hände ringend, daß Sie so Mut schöpfen werden, aus dem Schutze, der über Sie gebreiteten, Ihnen bestmögliche Anonymität gewährenden, Kotze, weitere pikante Details aus Ihrem häuslichen Umfeld Preis zu geben, gleichsam in künftige Einlassungen einwirken werden.
Wüsste ich mich an diesem Ort und in Ihren Händen nicht allerbestens aufgehoben, kein Wort, kein einziger Buchstabe wäre mir über die lüsternen Lippen gekommen, seien auch Sie dessen deutlich und nachdrücklich versichert.
Eben weil die Sittenlosigkeit und Verwahrlosung einen Grad erreicht hat, den man selbst mit höchsten Dosen pharmazeutischer Produkte kaum mehr ertragen kann, scheint es mir angezeigt, zumindest nach aussen eine schützende Anonymität zu wahren. Die unbedachte Rede so mancher sich Auslassenden trifft zumindest mich nicht selten nachgerade ins Mark und erschüttert meinen Glauben an den Hausverstand , der Begriff dürfte Ihnen geläufig sein, jenen Verstand also, den man in diesem unserem Lande üblicherweise als „gesund“ bezeichnet, und der als besonderes Prädikat des Menschlichen angesehen wird.
Sind doch alle krank, diese Kreaturen.
Jedes Tier, davon bin ich felsenfest überzeugt, verfügt über mehr Contenance und hat einen deutlicheren Begriff von Moral, als das hirnlos vor sich hin plappernde Gesindel, das sich in exorbitantem Selbstdarstellungstrieb allerorten tummelt.
O tempora, o mores !
Wie lange noch – möchte man ausrufen – ihr eitlen Narren, werdet ihr unsere Geduld missbrauchen?
Es scheint, als sei das Internet nunmehr eine dickens’sche Nebelgasse, in der sich ausnahmslos halbseidenes Gelichter herumdrückt, welches – mit den Stiefeln zornig durch den Kot des Rinnsteines stampfend und sich in die Brust werfend – die geistlosesten Reden schwingt, daß einen der Schwindel angreifen muss.
Oh, wie ich Sie verstehe! Ein Jeder von Geist und Stand, kann da nur angewidert zurückscheuen und danach trachten, das bucklige und zahnlose Kroppzeug mit einem Gehstock auf Abstand zu halten, daß der Rock, oder schlimmer noch, der Salon, in den man die Canaillen leichtfertig vorließ, nicht beschmutzt wird vom Unflat der besudelten Pariastiefel.