Die Sintflut ist der Hochdruckreiniger des Herrn

Vermittels Präparaten und Arbeitstechniken, die mir angeboten wurden, ist es mir gelungen, meine Penislänge um 20% zu vergrößern, meine Potenz gar um 85% zu steigern. So komme ich seit Stunden nicht, und Damenbesuch kommt überhaupt nicht. Käme er, so sähe ich ihn frühzeitig auf dem Monitor meiner lichtstarken Überwachungskamera an der Türe und schwebte mit dem gasdruckgefederten Barhocker, den ich einst in führenden Designerhotels bewunderte, lautlos auf und nieder, als Zeichen meiner Freude. Was nützen einem Mann rautenförmige Pillen in bleu und Photographien, die devot oder dämlich dreinblickende Frauen in reizender Unterwäsche und mit Hundehalsbändern bekleidet vorstellen, wenn die Welt, wie man den Massenmedien entnehmen muss, ohnehin verrottet ist bis zum Kern, sich insgesamt nicht den Anforderungen und Bedürfnissen gemäß entwickelt (Stichwort: Finanzmärkte, Klimakatastrophe), daß man alles einmal gründlich durchkärchern müsste.

Ich rate Ihnen, sich in faden Perioden des Lebens vor diese Monitore zu stellen, die an den Stirnseiten der Regale von Heimwerkermärkten angebracht sind. Die Männer, die in den dortigen Bildschirmen auftreten, sind oft sehr munter, einer der beiden mimt, im Sinne der Sache, einen umständlichen Skeptiker, der andere stellt, seinem Naturell entsprechend, einen Mann der Tat dar und demonstriert, wie sich die sichtbaren Probleme auf technischem Wege lösen lassen. Das Material fügt sich schließlich dem Manne; im Endeffekt liegen befriedigend glatte Schnitte, lotrechte Bohrlöcher sowie Sauberkeit und Ordnung der Dinge vor.

Gott erschuf den Menschen, der das Prinzip des Funktionalismus ersann; somit sind auch Spax Terassenschrauben Werke des Herrn, der so seinen Geist durch den Menschen hindurchfließen ließ. Als singuläre Person ist Gott nicht stapelbar, wohl aber als von ihm beseelte Plastikbox E1 beispielsweise. Die Welt ist deswegen so unwirtlich, kalt und öde, daß der Mensch gedrängt ist, ihr Wohlbehagen und Glück abzuringen durch Technik. Folgt man der Annahme, daß alle Dinge, alle Pflanzen, alle Tiere, alle Menschen von göttlichem Geist beseelt sind, so erscheint Gott großartig und banal, gut und voll scheiße zugleich.

Was Flugrost, Magnesiumkalk, Gefrierbrand, Bügelglanz und mikrobakterieller Befall in ihren jeweiligen Mikrokosmen sind, stellen Seuchen, Hunger und Kriege im Großen dar. Von diesen Symptomen der menschlichen Verderbtheit nährt sich die sogenannte Medienmaschine, ein Zwitter aus steampunkartigem Zahnradapparat und Biomasse, dessen Gestalt sich als sowohl grotesker wie auch furchterregender, wenn auch hübsch silbrig glänzender Tiefseefisch von gigantischem Ausmaß vorstellen lässt, der in vergleichsweise seichten Gewässern dümpelt und sich die Abbilder des Leids und die Sensationen der Welt mit hoher Geschwindigkeit in das träge auf und zu klappende Maul schwemmen lässt, die sodann zügig den Magen, sowie den – für Aasfresser charakteristisch – kurzen Darm passieren, um schließlich als toxischer Sondermüll, als Meinungen, ausgeschieden zu werden. Die Medienmaschine verfügt über einen ausgeprägten Verdauungsapparat, jedoch über ein in Evolutionsprozessen verkümmertes Gehirn. (Die Gehirnleistung dient quasi ausschließlich der Steuerung der Verdauungsprozesse.) Trotzdem wird – lediglich durch Präsenz und Ausstoß – versucht zu suggerieren, die Verdauung der seit Jahrmillionen gleichen Nahrung würde stets variieren, daß sich aus den neuesten Exkrementen auch immer neue moderne Weltmodelle und Handlungsgrundlagen bilden ließen.

Satellitengleich umschwirrt wird die Medienmaschine von kleineren digitalen Parasiten, die mit dem großen Verdauungsapparat eine Art Symbiose der nachhaltig bilateralen Fäkalienverwertung eingegangen sind. Man nennt diese Parasiten Blogs und Twitter; eine Art endzeitliche, maximal beschleunigte Form des Leserbriefs – die totale Meinungsmache bei gleichzeitiger größtmöglicher geistiger Leere – der Stammtisch und die Beschwerdestelle der Hölle.



19. März 2009