Herr No unternimmt eine Bootspartie (Behelfsüberschrift)

Dies sei sein täglicher Weg zur Arbeit, sagt ein Mann und weist vage in eine Richtung, in der eine Straße zwischen Hochhäusern und Supermärkten recht geradlinig und mehrspurig verläuft. Es sei eine schöne Gewohnheit dort entlangzufahren, mit dem Auto, auch wenn die morgendliche Fahrt durch ungünstige Ampelphasen getrübt werde, so der Mann. Die Fassaden der Häuser sind akzeptabel renoviert, vorwiegend in vitalen Buntfarben. Durch die Vielzahl der Supermärkte und Tankstellen entsteht eine gesunde Konkurrenz, von der der Verbraucher im Endeffekt nur profitiert. Da und dort einen geeigneten Parkplatz zu finden sei beschwerlich. In einem Urlaubshotel sei lauwarmes Essen serviert worden; an einem anderen Ort seien hingegen die Speisen befriedigend gewesen, also schmackhaft, wohltemperiert und reichlich, auch liebevoll angerichtet und vergleichsweise preiswert, sagt man. Geplant ist eine Fahrt mit einem historischen Ausflugsdampfer, wie dem Gespräch, das der Mann mit einer neben ihm sitzenden Frau führt, zu entnehmen ist. Der Spätsommer sei eine Herausforderung an die Menschen, die geeignete Kleidung zu wählen, morgens, vor dem Dienst, so die Frau. Ist man in der Septemberfrühe, deren Luft mitunter schon herbstlich frisch ist, recht gekleidet, so transpiriere man in den noch sonnenreichen Mittagsstunden und umgekehrt. Er setze auf das sogenannte Zwiebelprinzip, erwidert der Mann munter und zupft leicht an einem braun, violett und weiß gestreiften Feinstrickpullunder. Die übrigen, den Leib des Mannes umhüllenden, Textilschichten bestehen aus einem resedafarbenen Hemd, sowie einer erbspüreefarbenen Übergangsjacke.

Die Zeit strömt, durch Geburten, Todesfälle und Ähnliches nur notdürftig strukturiert vorüber. Dem, der nicht dem Äther folgt, bietet ein ebener Parcours von schönen oder nützlichen Körpern aus Metall, Stein, Fleisch, Kunststoff oder Glas eine gewisse Führung, wie eine intelligente Flipperkugel, die, aus sinnvollen und kybernetischen Gründen, um eine ruhige, also an Wendepunkten arme Laufbahn bemüht ist. Freudiges Aufgehen in einfältiger Istigkeit oder das erhabene Verheddern in elfenbeintürmischer Metaschwuchtelei scheinen mir zwei wesentliche Abgründe menschlicher Gratwanderung zu sein.

Der Sommer sei nun vorbei, sagt eine Frau. Sie sitzt in einer, von einem Ölradiator übermäßig geheizten, Gaststube eines Bootsverleihs auf einem weißen, von Posamenten verzierten Kunstfaserkissen auf einem Küchenstuhl. Man kann Würste mit Mostricht kaufen und Kindlbierflaschen. Sie trägt eine formlose Strickjacke und ist die Betreiberin des Bootsverleihs. Auch krieche die Feuchtigkeit vom See hinauf, sagt sie – wohl in die Knochen, denke ich – und sie deutet auf einen Bilderrahmen an der getäfelten Wand, dessen Passepartout sich leicht wellt, als Indiz. Es ist die gerahmte Photographie eines weißen Riesenpudels mit ordentlich parallel ausgerichteten Vorderpfoten, der, als er noch lebte, auf dem gleichen, floral gemusterten Fußbodenbelag lag, auf dem ich jetzt stehe um ein Ruderboot zu leihen und der ausgetreten ist, da jeder, der ein Ruderboot zu leihen wünscht, hier stand und einst stehen wird. Die Einrichtung ist vergilbt aber abwischbar und es riecht nach gepflegtem Verfall. Auf dem Wasser des Sees schwimmen Blesshühner, die melancholische Geräusche machen und verletzlich wirkende Schwimmerköpfe. Nach der einstündigen Ausfahrt habe ich mehrere Blasen an den Händen.



8. September 2009