Herr No übt Medienkritik und befleißigt sich dabei des Stilmittels der sogenannten spitzen Feder

Einmal, an einem frühen Abend, ließ ich mich mit einem Cocktailglas, in dem zwei Oliven schwammen, auf meine behagliche Dreitausendeurocouch sinken, weltgewandte Leser werden wissen worum es sich bei dem fein moussierenden Getränk handelte, und schaltete ein Fernsehprogramm ein, selbstverständlich in einer ironischen Geste der Feierabenderschöpftheit, die ja zum schmunzeln ist, da fernsehen bekanntlich, neben telefonieren, nur in der Unterschicht so betrieben wird, als handelte es sich um eine ernstzunehmende Kulturtechnik. Jedenfalls wurde im Fernsehen gezeigt, wie die Staatengemeinschaft mit modernster Militärtechnik ein Unrechtsregime ausradiert. Daß es mit Muammar al-Gaddafi so eben nicht weiter gegangen wäre, wie gesagt wird – undsoweiter. Kann ich ad hoc nichts zu sagen, da mir die Hintergrundinfos fehlen. Ich möchte aber zu bedenken geben, daß, wenn wir, die freiheitliche Staatengemeinschaft, alle Unrechtsdiktatoren, mit Tarnkappenbombern zum Beispiel, wie im Fernsehen gezeigt wurde, gleichsam wegbomben, erst Muammar al-Gaddafi, dann Kim Jong-il, dann Hugo Chávez, uns es womöglich wie Schuppen von den Augen fallen wird, spätestens wenn wir, so wie ich, alle Jubeljahre mal den Fernseher einschalten, daß die internationale Politik um einige lebhafte Facetten ärmer geworden ist; stehen nicht Namen wie Muammar al-Gaddafi, Kim Jong-il und Hugo Chávez für die letzten großen politischen Querdenker, ja, ein Stück weit auch Paradiesvögel, die das weltpolitische Parkett mit ihrem Esprit und ihren exaltierten – wenn auch für viele zweifellos umstrittenen – Ideen letztlich doch bereicherten, im Sinne einer Pluralität der Lebensstile? Werden wir dann nicht eines Tages aufwachen (und es wird ein bitteres Erwachen sein, darauf gebe ich Ihnen Brief und Siegel) und denken a) daß Geld nicht essbar ist (natürlich) und b) daß die lokalen ohnehin, aber auch die globalen Geschicke nurmehr von Taxifahrergesichtern wie Guido Westerwelle geleitet werden?

Was bleibt mir also, als mich auf das Phänomenologische zu konzentrieren, wenn mir Kriege in einem Fernseher präsentiert werden, alarmistisch moderiert und mit propagandistischen Absichten einhergehend zudem? Sie müssen wissen, daß mir oft vorgeworfen wurde und vorgeworfen wird, der Vorwurf hält also an, daß mein Blick auf das Design, namentlich das Produktdesign, ein unversöhnlicher, der allerunversöhnlichste, ja geradezu mäkelhafter und von elitärer Arroganz geprägter sei. Aber: mir gefallen die zum Einsatz kommenden (im Volksmund flapsig als sogenannte Tarnkappenbomber bezeichneten) Northrop B-2 Spiritbomber der amerikanischen Armee sehr. Die schöne Form! So titanisch, so unterseeisch rochenhaft auch, dem Radar verborgen – das wohl – jedoch bestimmt beeindruckende und zudem rasend schnelle (logisch, da eine Blitzkriegsituation herrscht) Schatten in rohstoffreiches oder geopolitisch relevantes Feindesland werfend, mit der emblematischen Anmutung einer Fledermaus, scheiße ja, Batman avisiert sein Erscheinen, findet euch damit ab, es ist Gotham City hier. Ich mag den expressiven Subtext, der der formvollendeten Funktion innewohnt: aviatische Leichtigkeit, die mit schwerer alttestamentarischer Endgültigkeit und ferner dem Trivialmythos des Superheldens verschmolzen wurde.

Was mir als Zuschauer und Gebührenzahler nicht gefällt, wenn im Anblick von Katastrophen, Amateurvideos angefertigt werden, die vollkommen unnötig von schlechter Qualität sind, weil die Augenzeugen keinerlei Gefühl für Bildaufbau und die einfachsten cinegrafischen Grundregeln mitbringen. Was da an Content aus Japan rüberschwappt, ist einfach nicht von klassischer Broadcastfähigkeit!

Dabei fällt mir auf, daß sich auf der Oberfläche meiner linken Hand eine Hautirritation herausgebildet hat, die von der Krone meines neuen Chronometers herrührt. Ungeachtet dessen, daß ich mit lindernder Calendulasalbe dem Mal ein ums andere mal zuleibe rückte – nutzlos – die Stelle verledert zusehends.



21. März 2011