Hightatras

Die Rückenleiden des jungen Welsh Mountain Pony

Neulich begegnete mir eine blonde Reiterin hoch zu Ross. Ihr bereits ins Silberne changierende Haar war zu einem gouvernantenhaften Dutt frisiert. Bestes Haus am Platze mutmaßte ich, Jugendstilvilla — selbstverständlich nebst ländlichem Garten, endlose Abende am offenen Kamin mit den Geschwistern Brontë oder dem Feuilleton der Morgenpost, die fröstelnden Beine unter einem geschmackvoll gemusterten Plaid aus Crossbredwolle geborgen. Erhabenen Hauptes schritt die — Ursula von der Leyen wie aus dem Gesicht geschnittene — Blondine an mir vorrüber, herrische Gebieterin über ein, unter seiner menschlichen Last fatalistisch gewordenes Tier, dessen Feuer der Jugend längst im Schwinden begriffen schien. Obgleich noch jung an Jahren bewertet man im Stall seine Gesundheit wohl als fraglich, war doch der zierliche Hengst trotz der diesjährigen Milde, gegen frische Brisen sowie nach Einbruch der Dunkelheit aus dem Moor hochkriechende, tückische Nebel, gänzlich in eine königsblaue Pferdedecke gewickelt. Es schien sich bei der an mir vorbeidefilierenden Pferdedecke deutlich um ein Präsent der CDU Reinickendorf zu handeln, prangte doch, direkt neben dem After des Pferdes, beidseitig, das Logo der Union in weiß. Nun hatte sich aber das Tier während des gemächlichen Ausrittes offenbar erleichtert und seine Exkremente vielleicht durch einige fahrige Schweifbewegungen recht großflächig im hinteren Bereich der wollenen Decke verteilt. Kurzum, das Signet der christlichen Volkspartei war über und über mit Pferdestuhl besudelt. Handelt es sich bei der hippophilen Marketingmaßnahme also um das Werk eines stümperhaften Pferdedeckendesigners, oder vielmehr um eine konzeptionell mustergültige und zugleich expressive Gestaltungslösung von höchster Eleganz und Simplizität?

Für gemeinhin ist ja Reiten im Hobbybereich eine Sache der weiblichen Jugend. Reiterinnen jenseits der Menopause bilden die überaus seltene Ausnahme. Reiterhöfe und Pferde stellen in der Regel eine kurz auflodernde Schwärmerei im Leben der Mädchen dar. Eine hormonell induzierte Leidenschaft in einer ganzen Reihe von adoleszenten Grillen. Irgendwann im Leben eines normalen Mädchens verblasst einmal die Attraktivität selbst des allersüßesten und zugleich feurigsten Fuchses im ganzen Gestüt. Nahtlos müssen Babella und Sacramento Justin Timberlake oder Tokio Hotel weichen. Wissen Sie was? Ich glaube Justin Timberlake hat keinen blassen Schimmer davon, daß er lediglich ein Ponysubstitut ist. Selbst der süßeste Boy von Tokio Hotel ist genaugenommen sogar nur ein Interimsponysubstitut, rückt doch bereits nach kurzer Vergötterung, Neues, real Aknegebeuteltes in den Fokus romantischer Mädchenherzen.

Mir fällt ein Möbelwagen von Herzen

Heute sah ich in einem kleinen stadtnahen Birkenhain einen neuen, alten Teppich der dort zu nächtlicher Stunde abgeladen wurde. Was wäre, wenn es sich bei solchen Beobachtungen nicht um das Werk asozialer Verbrecher handelte, sondern um eine übliche, vom Design antizipierte Form der Entsorgung? Ich stelle mir das folgendermaßen vor. In einer absehbaren Zeit mit schwindenden Erdölressourcen werden speziell in Hinblick auf hohen Grünmasseertrag gezüchtete Pflanzen zum führenden Rohstoff. Gentechnisch veränderter Raps oder anderweitig modifizierte Ölsaaten, deren Trester — also Pressrückstände der Kraftstoffgewinnung — in flüssiger oder pelettierter Form als Grundstoff für die Herstellung der verschiedensten Gebrauchsgegenstände dient. Produkte mit einer bewusst niedrigen Lebenserwartung, die ihre Form und Funktionalität vermittels eines netzwerkfähigen 3D-Druckers erhalten. Das heißt keine als halbtoll empfundenen, mit Rotwein oder Katzenkotze beschmutzten Teppiche mehr, keine Waschmaschine, die altersschwach Rost auf die Kleidungsstücke speit. Ex und Hopp — eine neue sorglose und lustvolle Form des Wegwerfens und neu Erschaffens. On-Demand würden heute vielleicht manche sagen. Lediglich die Software für die Herstellung, also das dreidimensional digitale Modell des gewünschten Objektes würde verkauft werden, der Fertigungsprozess selbst würde aus zentralen Industriegebieten in den Haushalt des Konsumenten verlagert werden, womit zudem der lästige Transport materieller Waren entfiele. Der universal verwendbare Rohstoff für die Herstellung entstammt als Abfall der lokalen Treibstoffproduktion. Ein dreidimensionaler Drucker, der Kohlenstoffverbindungen zu klirrend harten Sägeblättern verdichtet oder zur anschmiegsamen Behaglichkeit eines Pyjamas webt. Nach einem beliebig kurzen Nutzungszyklus kann der so gefertigte Gegenstand geschreddert werden und beispielsweise als vollwertige Sättigungsbeilage, dem herkömmlichen Futter beigemengt, der Katze serviert werden oder eben auf dem Komposthaufen verrotten.

© NASA Ames Research Center

Nun könnte man einwenden, daß leichte biologische Abbaubarkeit die Nutzung beeinträchtigen könnte. Kurz gesagt die Produkte wären nicht funktional, denken wir z.B. an Salatschüsseln oder — ganz schwierig — Blumentöpfe, da diese gegebenenfalls bereits während der eigentlichen Verwendung zerfallen würden. Dies führt mich zum zweiten Teil meines Planes; die Produkte erhalten eine rudimentäre Form von Intelligenz. Teil des Materials wären produktspezifisch eingesetzte Bakterienkulturen, die die Struktur des Material bilden oder im Falle einer längeren Nichtnutzung den Zusammenhalt der Materie aufheben. Mikroorganismen, die in ihrer Dehydriertheit vergleichbar sind mit den Urzeitkrebsen, die einst der Jugendzeitschrift Yps beilagen, welche nach der Nutzung erwachen und das sie umgebende Material als Nahrungsquelle nutzen. Bakterien, die sensitiv sind für Wärme, Strom, den Geruch des Menschen, oder im Falle der Salatschüssel empfindlich gegenüber der Säure des Essigs oder den Fettsäuren des Salatöls. Produkte, die aufgrund Ihrer Größe erwartungsgemäß direkt in der Umwelt entsorgt werden, wie Teppiche oder Sofas, würden direkt bei der Herstellung mit schnell keimendem Saatgut oder Pilzsporen angereichert werden. Natürlich würde auch das Produktdesign, den veränderten Produktionsmethoden gemäß, eine grundlegend andere, weniger mechanische Form haben als heute. Vielleicht vom Prinzip her ähnlich wie die organischen Spielekonsolen und Waffen in dem sehenswerten Sciencefiction-Film eXistenZ.

Die Elementardroge

Der Weltrekord im Luftanhalten liegt bei neun Minuten. Bei den meisten Menschen die keine Apnoetaucher sind und auch ansonsten ein geringeres Lungenvolumen als Tom Sietas haben, dürfte die Zeit bei vielleicht ein bis zwei Minuten liegen. (Robben schaffen immerhin zwei Stunden und speichern den Sauerstoff im Blut und in den Muskeln.) Luft ist die grundlegende Droge aller höheren Lebensformen der Erde, so wie Dosenbier und codeinhaltiger Hustensaft für Junkies. Nach vielleicht fünfzehn Minuten ohne Luft ist also spätestens Schluß. Das Gehirn stirbt ab, der Tod tritt ein, das Fleisch beginnt zu verwesen. Materielle Grundlage des Lebens ist Abhängigkeit von einem Gasgemisch und einer klaren Flüssigkeit. Mein Wunsch an alle Heiligen, Sadhus, Päpste, Stellvertreter Gottes auf Erden und sonstige gefühlte Übermenschen wäre, daß diese, als Zeichen gottgleicher Unabhängigkeit von irdisch Materiellem, die Luft anhalten. Sollte eigentlich nicht soo schwer sein, leichter jedenfalls als das Meer zu teilen, mit Posaunen Mauern zum Einsturz zu bringen, Berge zu versetzen oder ähnlicher, vornehmlich auf den plakativen Effekt ausgerichteter Bombast. Drei Stunden sollten reichen, sonst würde ich vielleicht bis auf weiteres eine Robbe zum Gegenpabst ausrufen.

Aug in Aug mit einem Gulag

Als heute, zur Mittagsstunde, durch das sperrangelweit offen stehende Küchenfenster ein mildes Lüftchen wie im Lenze hereinspülte, dünkte mir das Durchbrechen der Frühblüher so nah. Oh du mein geliebter Krokuss, der du, flankiert von jubilierenden Singvögeln, noch scheu, dein zartgrünes Köpfchen den dich umschmeichelnden Sonnenstrahlen entgegenreckst. Doch der erste liebliche Anschein trügt: Im Mittelgrund, unter meinem Fenster, erstreckt sich eine, von Suchscheinwerfermasten eingerahmte Kleingartensparte. Rostiger Stacheldraht soweit das Auge blickt. Zornig bellende Hunde, denen der Speichel von blutroten Lefzen rinnt. Schlimmer noch die Pächter — vierschrötige Einfaltspinsel deren halslose Komissköppe von speckigen Cordhüten gekrönt werden. Ein Kommen und Gehen von geräumigen Automobilen mit dunkelgetönten Scheiben, alles verrammelt, doppelt und dreifach zugewuchert. Würde mich – heute, bei rechtem Licht besehen — nicht wundern, wenn das eins dieser berüchtigten CIA-Gefängnisse wäre, von denen unlängst in den Medien so angeregt berichtet wurde. Heutzutage ist ja alles möglich. Daß einem der Nachmittagstee mit einem gerüttelt Maß an Polonium 210 serviert wird beispielsweise.

Baron Waldsteiger und der geheimnisvolle Siegelring

Man schrieb den 28. November, draußen, in den einsamen Hügeln des schottischen Hochlands, verhüllten dunkle Wolken den silbrig schimmernden Vollmond. Nachdenklich schnippte Baron Waldsteiger ein Aschestäubchen vom Aufschlag seiner umbrafarbenen Gabardinehose. Ein steifer Nordost peitschte eiskalten Schneeregen an die Butzenscheiben der Bibliothek von Lord Rory Malmesbury. Die jährlich nahe Cawdor Castle stattfindende Pferdeausstellung war für Baron Waldsteiger der Anlass für seine Reise auf den abgelegenen Jagdsitz des alten schottischen Adelsgeschlechtes gewesen. Baron Waldsteiger war selbst mit zwei seiner besten Lipizzanerstuten bei der Rassepferdeschau vertreten. In den dunklen Ledersesseln von Lord Malmesbury hatte sich an diesem unwirtlichen Herbstabend eine Runde illustrer Herren versammelt, die die Liebe zu Rassepferden teilte. Pferdenarren wie sie im Buche stehen, die sich zu vorgerückter Stunde an edlen Zigarren und bestem Whisky schadlos hielten. Auf Hochglanz poliertes Mahagoniparkett, kostbare persische Läufer und eine umfangreiche Sammlung historischer Jagdgewehre. Die Wände des jahrhundertealten Gemäuers ausgekleidet mit dunklen Bücherregalen aus Ebenholz, darin die köstlichsten Erstausgaben namhafter Autoren in bester Ausstattung; fast ausnahmslos ledergebundene Folianten mit Goldschnitt. Eben hatte die Stutzuhr auf dem aus Eiche gearbeiteten Kaminsims zur elften Stunde geschlagen, als auf dem Vorplatz die Reifen eines Range-Rovers den Kies knirschen ließen. Matthew Purdence, das Faktotum, hatte den Wagen nachlässig geparkt und stapfte in klobigen Gummistiefeln, den Kragen der urigen Öljoppe hochgeschlagen, seelenruhig seine Pfeife schmauchend durch den Regen, den grasbewachsenen Hang hinab zu seiner Einliegerwohnung, einem an den Stall grenzenden Nebengelass.

Baron Waldsteiger war von einer plötzlichen Unruhe getrieben an die großzügige Fensterfront getreten und sah versonnen in den Nebel. Gedankenversunken fuhren die Fingerkuppen des Barons über das gläserne, in Blei gefasste Familienwappen derer von Malmesbury. »Die Sache schmeckt mir nicht«, schoß es Waldsteiger durch den Kopf und seine grauen Schläfen glänzten malerisch im herbstlichen Mondlicht. Seit er auf einer Forschungsreise nach Sumatra von einer Kokosnuss ungünstig und höchst schmerzhaft am Kopf getroffen worden war, verfügte der Baron über außersinnliche Wahrnehmung, die sich stets als ein charakteristisches Summen im Kopf ankündigte. »Sir, darf ich nachschenken, Sir?« Von Waldsteiger zunächst unbemerkt war eine bildhübsche junge Frau mit alabasterfarbenem Dekolleté an ihn herangetreten, die blonden Haare zu einem stattlichen Dutt hochgesteckt, in ihrer Hand eine bernsteingleich schimmernde Whiskykaraffe aus Kristallglas. Es handelte sich um Abigail Swinton, die irischstämmige Haushälterin, deren grüne Augen den Baron nun verführerisch anfunkelten. Im Hintergrund, am Kamin, schickte sich Lord Rory Malmesbury unter großen Gesten an, eine weitschweifige Anekdote aus dem Koreakrieg zum Besten zu geben, als plötzlich ein markerschütternder Schrei die abendliche Harmonie jäh zerriss und gleichzeitig sämtliche Lichter im Hause erloschen. »Herrjemineh, Potztausend!« oder »Par bleu!« so machten die, wie begossene Pudel nun in der Finsternis sitzenden Herren ihrer Verwunderung Luft, dabei nach Fidibussen oder silbernen Feuerzeugen tastend. Nicht so Baron Waldsteiger, der mit einem Satz bei seiner Bereitschaftstasche war und aus dieser im Nu eine schwarze Hochleistungstaschenlampe praktizierte. Zack! Im gleißenden Lichtkegel der vorzüglichen Profilampe war Abigail Swinton auszumachen, kreidebleich und zur Salzsäule erstarrt, die kostbare Karaffe natürlich in tausend Scherben zersprungen. Eine heikle Situation, die Waldsteiger — wie immer — zu Höchstformen auflaufen ließ, jede Sehne, jeder Nerv angespannt, eilte er wieselgleich die rustikale Freitreppe des Landsitzes hinauf, der Quelle des schrecklichen Schreis entgegenstrebend.

Die großfrüchtige Moosbeere

Vor mir legt ein Bürger Waren auf das schwarze Gummilaufband. Große Zähne mahlen stumm in einer Wand aus weißem Bart in der außerdem ein Vogelpaar nistet; oberhalb des Vogelhabitates sind munter blitzende Äuglein eingelassen. Zwei Tüten Cranberries und Molke in Plastebechern. Väterchen wünscht wohl ein Molkecranberrymischgetränk, man sagt den rötlich glänzenden Früchten ja die dollsten Sachen nach. Vor der gläsernen Türe, hinter einem hohen Schneewall, aus dem oben die Werstpfähle lugen, kreischt die Elektrische. Orange treiben die nassen Flocken nach Osten. Hurvinek, der Stift, hat sich im Zuge der Zeit zu einer recht guten Kassenkraft gemausert. Heute entgleitet ihm nimmer mehr die Rolle mit dem Hartgeld. Einst, mit kleinen Hände fahrig zuckend, die Knute des Lehrherren stets vor Augen, hat er einmal hundert Münzen auf dem Boden verstreut, dabei über beide Ohren errötend. Nein, der hat sich eingefuchst, möchte ja auch sein — zweites Lehrjahr. Diese Woche im Angebot: Madeleines. Die transparente Vorteilspackung zeigt sich von Ihrer Schokoladenseite, biedert sich dem Verbraucher zudem als wiederverwendbare Haushaltsbox an. Andere warten mit Branntweinpullen und gefrorenen Schweinehälften. Hier taucht man selbst Streusselkuchen nicht in den Tee. Mit den Pelzstiefeln unstet in Schmelzwasserpfützen Stampfende, kalte Tropfen an spitz geschnitzten Nasen aus sibirischer Tanne.

Alaskaparkas

Ein ergrautes Paar, deren hagere Körper in reichlich — mit dem Schriftzug Mountain Patrol oder Bärenmotiven beispielsweise — bestickten, kunstpelzverbrämten Joppen versinken; die Gesichter großporig, schwankenden Schrittes vowärtstastend wie Schmugglerdschunken im Sturm. Der durch großzügige Verwendung von Haarspray in die Vertikale gezwungene Bienenkorb hat Schlagseite, die Spitzen des hochgezwirbelten Schnurrbartes changieren ins Gelbe. Horst Herold tritt, eine Zigarette ansteckend, an die zum Garten führende Panzerglasscheibe seines Fertighauses; von hier fällt der Blick auf das vom Regen mürbe Laub, das sich am Erdwall sammelte. In höchsten Tönen singende Nadeln bilden die Lage auf endlos grünliniertem Papier ab. Ermittler auf den Fersen wissend, sitze ich in einem Nachtzugrestaurant, stütze meine Ellenbogen auf ein frisches, hartes Tischtuch, blicke über die Speisekarte auf den Rangierverkehr hinter der dieselrußigen Scheibe des im Bahnhof stehenden Zuges. Sie kennen Andreas Baader und Uschi Obermaier noch von früher her — aus der Zeit in Schwabing.

Begleitet von kaltem Schweiß fällt mir plötzlich ein, daß ich mein GPS-Gerät in der Bahnhofshalle vergaß. Zu meiner Beruhigung habe ich den Empfänger mit Superkleber an einem aus Eiche gefertigten Sideboard befestigt. Währenddessen treibt Rückenwind mein Fahrrad über eine ländliche Allee. Nebligflache aber schon warme Sonne wirft vor mir scharfe Muster auf den Asphalt. Bald gleißende Helligkeit, bald Schneeregen und rasend schwarze Wolken. Ein Regenschauer hinterlässt im Kern olivgrüne — später jeglichen Reinigungsversuchen widerstehende — Flecken auf der Kleidung, die in der Peripherie, je weiter sie in das grobe Tuch meiner Jacke vordringen, lichter und farbiger werden; Ringe aus zartem rosa und blassem lindgrün, in kleinstem Maßstab salzartig, kristallin strukturiert. Merkwürdig — sah oder hörte ich doch kein Flugzeug, welches sich in die Luft erhob um Dünger auszubringen und mir so als Modell dienen könnte. Auch meine Bekannte vermag sich das Phänomen nicht zu erklären. Die Situation erscheint mir bekannt.

16:35 Uhr

Ich trug einen dunkelblauen Trainingsanzug. Aus vom Staub ermatteten Metallrohren wabert der Geruch von Tiefkühlherzhaftigkeit. Tiere, deren Tod in Maschinen eintrat, werden hier zu abstrakten Waren verarbeitet. Der jetzt wieder kondensierende Atem bietet stets einen anschaulichen Eindruck vom aktuellen Lungenvolumen.

Wer kam von wo?

Zwei schwarze Autos sind zusammengestossen; kostspielig glänzende Wagen die forsches Fahren ermöglichen, von den Haltern nicht zuletzt aus repräsentativen Gründen angeschafft. Auf dem angrenzenden Bürgersteig hat sich eine kleine Traube gebildet. Man steht zusammen, jeder für sich. Der Hund wird angewiesen Platz zu nehmen, manche stecken Zigaretten an. Das ist ja ein starkes Stück. Zwischen den Scherben ihrer ruinierten Fahrzeuge gehen die Unfallbeteiligten auf und ab, telefonieren und treten dabei kopfschüttelnd gegen breite Reifen. Weitere Flaneure gesellen sich, das vor der Reform gekaufte Elektrogerät auf dem Boden abstellend, zu den Schaulustigen.

In der Dienststelle

Meinen Lohn verdiene ich mit dem Betrachten von geplanten Fernsehprogrammen. Die schlecht bezahlte Tätigkeit besteht darin, daß ich, die Sendungen betreffende Fragebögen ausfülle. Blicke ich, vom Fernsehen und Ankreuzen gelangweilt, aus dem Fenster meines Arbeitsraumes der im dritten Stock eines Vortstadthauses gelegen ist, so sehe ich das ältere Ehepaar aus der Einliegerwohnung im Erdgeschoß. An der Decke über mir summt und knackst eine bläulichweiße Neonröhre; die Räume sind, wie die Verwaltung angibt, aus technischen Gründen vollklimatisiert. Der Mann, den ich durch das Fenster beobachte, zerrt, mit seiner Frau lautlos streitend, einen schäbig gewordenen beigefarbenen Teppichboden auf die vor dem Haus gelegene Rasenfläche.

Ein Benzinkanister steht bereit. Alter Gewohnheit folgend verbrennt die schlechte Mietpartei alle Abfälle selbst. Häufig ist das Haus eingehüllt von schwarzem, beissenden Rauch wenn ich zum Dienst erscheine. Selbst wenn ich das Haus auf leisen Sohlen durch den Hintereingang betrete, öffnet sich die Wohnungstür des Ehepaares, dabei den Blick auf eine dampfende Garküche freigebend, in der bei nächtlicher Wilderei erlegte Tiere zubereitet werden, und einer oder beide erscheinen im Hausflur, sich die Hände an Arbeitshose oder Schürze abwischend, um mich mit falschen Schmeicheleien zu umgarnen, mich so gar zu einem Besuch in dem durch einen Elektroradiator erhitzten Wohnzimmer zu nötigen. Man tritt sehr nah heran, greift nach meinem Arm. Kaltes Lächeln schlecht eingesetzter Goldzähne.