Hightatras

The FPÖ took my baby away

Gerade als ich mich anschickte, in der, dem Fremdenzimmer angegliederten Küchenzeile ein proteinreiches Frühstück zuzubereiten, zwei Eier zur Hand nahm, die eine naturgemäß freiheitlich gesinnte Henne noch im Morgengrauen aus ihrem Vaginaltrakt presste, Setzeier also an Baked Beans, in Anlehnung an die frühmorgendlich zelebrierte britische Opulenz. Nun gewahrte ich aber vor dem zur Straße weisenden Fenster verschiedene Geräusche, mich dünkte zunächst es handelte sich um einen unter Schalmeienklängen durchgeführten Aufmarsch des Österreichischen Turnerbundes, oder einen dieser inszenierten Almabtriebe, der die Sommerfrischler in die Lage versetzt, recht kitschige Digitalbilder aufzuzeichnen; in Wirklichkeit werden die Tiere in schalldichten Lastkraftwagen abtransportiert um im Tale endgültig der landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette zugeführt zu werden. Doch Nein, als ich die moosgrünen Fensterflügel aufstieß, meinen Leib zwecks Einsichtnahme über das prächtig im Bergwind wogende Geranienbouquet in Landesfarben beugte, bot sich meinem Auge ein kummervolles Bild. Drunten in der Haarnadelkurve lag ein verunfallter Kradfahrer auf dem Asphalt, merkwürdig verdreht und gebrochen, in seinem schwarzen Lederhabit wie ein überrollter Salamander, umringt von Sanitätern, Schutzleuten und Kameraden, aus deren Gesichtern die männerbündlerische Forschheit gewichen war, zugunsten einer gewissen Fahlheit des Teints. Handelt es sich um ausgeflossenes Motorenöl, welches die Fahrbahn glänzen lässt? lautet einer meiner Gedanken in diesem Momente als ich einen Schluck frische Bergmilch aus einem Glase nahm in dem Walderdbeeren schwammen. Da riss aber die graue Zirruswolkendecke am Firmament auf, ein Lichtstrahl fiel hernieder auf die Szenerie, den Leblosen, die Umstehenden, das zusammengefaltete Motorrad mit den unsinnig verdrehten Räder und der Engelschor stimmte ein Lied an, begleitet von Harfen: Siehe, es handelt sich mitnichten um Motorenöl, Blut, rot wie Wein, ist es was dort den Asphalt netzt. Nun jedoch fiel es auch mir wie Schuppen von den Augen, der Herr nahm den unkonzentrierten Fahrzeugführer zu sich und der Ambulanzwagen fuhr schließlich gemächlich gen Tal ins Spital nach Spittal, ohne das Martinshorn einzuschalten — heuer pressiert es nicht. So ist er der Herr; unerforschlich wie gesagt wird, ganz schön cholerisch dachte ich aber bei mir, als ich die kernledernen Wanderstiefel schnürte, die ich am Vorabend peinlichst fettete, wies doch das mir vorliegende Meßtischblatt, ein am Fuße der zu durchsteigenden Hafnergruppe liegendes Hochmoor aus, aufbrausend also und in seinem Handeln ebenso flatterhaft wie gnadenlos, wie sich bereits der Bibel entnehmen lässt, die ich zu meiner Unterhaltung dort als leichte Bettlektüre zu lesen pflegte. Schließlich handelt es sich bei der Bibel um ein sehr erfolgreiches Buch, dessen Autorenkollektiv sich seit seinem Erscheinen einer wachsenden Anhängerschaft erfreuen könnte, würde es nicht längst die Radieschen von unten betrachten. Ein fanatischer und rücksichtsloser Fanclub hat sich um den Schmöker gebildet, der heute noch ziemlich krass rumnervt und bereits seit zweitausend Jahren hooliganartig umherreist um alles kaputtzumachen und Indianer anzuzünden. Kurzum ein nachhaltiger Erfolg, den andere namhafte Schriftsteller wie Stephen King oder Thomas Mann mit ihrem offenbar literarisch weniger inspirierten Werk nicht zu erreichen vermochten. Man kann sich den Herrn in etwa als unsichtbare, gleichsam graue Eminenz vorstellen, ähnlich wie Robin Masters, der ständig erwähnt wird, dessen Gestalt aber nie näher beschrieben wird. Nun muss ich aber eingestehen, daß ich das Buch noch nicht ausgelesen habe, und in guten Romanen durchläuft ja der Protagonist eine Wandlung und verlässt das Buch anders als wie er es betreten haben tat. Ich meine jedenfalls feststellen zu können, daß der Herr am Borderline-Syndrom litt, am Anfang, als er euphorisch die Welt schuf; dann plötzlich wirkt alles irgendwie Scheiße: Sintflut, zack weg. Oder in diesem Garten Obstgehölze bereitzuhalten und dann, als sich Eva auf Anraten der Schlange an den zweifelsohne knackigen und fruchtig wirkenden Früchten schadlos hielt, gleich so unverhältnismäßig auszurasten. Bekanntlich raten ja führende Ernährungswissenschaftler zu mindestens fünf Portionen Obst täglich; Eva konnte also ihren Vitaminhaushalt gar nicht vollumfänglich decken und wurde für ihr gesundheitsbewusstes Handeln zudem noch mit Geburts- und Regelschmerzen gestraft. Meines Erachtens neigt der Herr also zu Überreaktionen und spielt sich in den ersten Seiten des Erfolgsromanes als manischer Kontrollfreak auf, beispielsweise als er dem Zimmermann Noah, die genaue Bemaßung der Arche vorkaute, weil er ihn bezüglich Schiffbau offenbar nicht für beschlagen genug hielt. Der Herr hatte kein Vertrauen in seine Schöpfung und konnte folglich nicht delegieren. Vielleicht wird der Herr im zweiten Teil des Buches noch etwas lockerer, mal sehen. Ansonsten geht es die ganze Zeit nur darum, wer mit wem schläft, ferner jede Menge konkret krasser crime-content, wie Brudermord und spermageile Dreilochstuten, die ihren hinfälligen Vater alkoholisieren um sich in listiger Absicht nächtens in einer Art Kellerverlies von ihm schwängern zu lassen; mir ist das ehrlich gesagt über weite Strecken zu explizit oder zu langweilig.

Wer nun im schönen Kärnten rüstig ausschreitet, sieht sich am Wegesrand allenthalben mit hölzernen christlichen Darstellungen konfrontiert; Jesus, wie er blutet, oder zahllose Reihen geschnitzter Tafeln, die darstellen, wie der wohnungslose Monteur genau gefoltert wurde. Wissen Sie was? Dieses Christentum ist ganz schön morbid! Wieso nicht mal die schönen Seiten zeigen? Jesus, der das Wasser teilt oder knifflige Cateringaufgaben pfiffig löst. Hier ist die Kirche gefordert, aber sicher scheitert auch der gemeine österreichische Holzschnitzer an der Aufgabe solch lichte, wenn auch komplexe Szenen darstellerisch zu lösen. In gewisser Hinsicht ist ja Österreich wie Ostdeutschland, das merkt man sehr schnell, wenn man sich die aufgestellten Schilder oder die Zeitungen durchliest. Allerdings sind die hier lebenden Nazis recht höflich, grüßen im Stiegenhaus, und besteigen nach getaner Arbeit, gegen acht Uhr dreissig morgens etwa, die höchsten Berge der Welt ohne künstlichen Sauerstoff und im Alleingang (zugunsten des Vaterlandes) oder rezitieren im stillen Gebet das Ave Maria, während sie im frisch gebügeltem Tennishemd den Gegner bravourös vom Platz fegen. Wer hat’s erfunden? Ein österreichischer Anstreicher, der in Form einer schwulen Ratte reinkarnierte, die heuer von Wahlplakaten den Kraftfahrer naturgemäß rattenhaft anblinzelt und für rassische Hygiene und Aufnordung plädiert. Man kann diese Botschaften recht gut nachvollziehen, begegnen einem doch in Kärnten auf Schritt und Tritt Neger, Ausländer, Hottentotten und Zigeuner, insbesondere bei Bergwanderungen, wo sich das Pack leider zunehmend in Murmeltierbauten einnistet. Aber es ist ja nicht alles schlecht im Staate Österreich, wie gesagt werden muss, die kühn den Alpenhauptkamm durchschneidende Tauernautobahn etwa oder der Apfelstrudel, welcher mit großglocknergleich aufgetürmtem Schlagobers serviert wird und zweifelsohne als Gedicht bezeichnet werden kann.

Écriture automatique II

Die Feldheuschrecke, die vormittags gegen elf, als ich auf der Veranda saß und einen Roman las, erschien und vor meinen Füßen umhersprang, bald auf den Boden bald auf den Rand der Pflanzenkübel, hier leider von mir zunächst unbemerkt, auf einen Rosenstock im Kübel, den ich neulich, da von Schädlingen befallen, reichlich mit Pestiziden zu besprühen gezwungen war. Gleichso, wenigstens ähnlich ergeht es auch den vielen Tölpeln, die sich Berlin aussuchen als sogenannte Wahlheimat, und dort zudem die schlimmsten Bezirke wählen, namentlich Berlin-Mitte, Friedrichshain, und, in weiten Teilen Prenzlauer Berg. Aus all den guten Orten, die ein Mensch, ein junger zudem, wählen kann als neue Heimat in Europa, der Welt, taumeln diese Idioten dahin, wo es nur so wimmelt von anderen Idioten und wo ein ungemein schädliches, ja giftiges geistiges Klima herrscht, an dem man unweigerlich zugrunde gehen muss. Die Welt ist schließlich kein Roman von Fallada; im Gegensatz zum falladaschen Helden, treibt die Idioten jedoch nicht eine Idee von Großstadt, eine persönliche Vision gar, nein, sie treibt natürlich nur ihre Dummheit, der Instinkt zwingt sie, mit anderen Idioten eine Kolonie von Idioten zu bilden, sich fortzupflanzen, gleichsam ein neues Idiotengeschlecht zu gebären. Berlin ist nicht Los Angeles, Lugano, Prag oder gar Rom, das den Zuzug von Idioten durchaus verkraften könnte, das den dumpfen Menschen möglicherweise mitreisst und emporweht, ihn hebt und läutert, mit dem frischen Wind, der in Weltstädten waltet, entweder durch die Bausubstanz, die Schönheit seiner Frauen, die prosperierende Wirtschaft, oder, dies als das Höchste, als Ideal quasi: mit der Kunst und dem Denken, das in einer Stadt herrscht. Es ist nun leider aber so, daß immer neue Idioten, in der kläglichen und unsinnigen Absicht, ihrem stumpfsinnigen Provinzleben, durch eine Veränderung der äusseren Umstände Sinn und ein Quentchen Lebensfreude abzutrotzen, auf hier bereits seit Jahrzehnten lebende, also wie Pilze verwurzelte Dummköpfe treffen, und die schon stickige Luft wird somit unweigerlich immer noch stickiger und unerträglich geradezu. Die Idioten ziehen sich also gegenseitig noch weiter hinunter auf den Boden, die Gosse, in den Lethestrom. Insbesondere Ostberlin, die von mir genannten Stadtteile, die vielen verkommenen Gegenden dort, vereinigen alles Schlechte der Großstadt mit dem Muff der Provinz, pappen in ihrer baulichen und geistigen Enge, das Negative gleichsam zusammen zu einen gewölleklumpenartigen Moloch, den eine rachitische Hyäne in den märkischen Sand würgte. Ich bedaure dies alles sehr, da Berlin meine Geburtsstadt ist, mich somit wenigstens emotional einiges an die Stadt bindet. Berlin gilt wohl ungebrochen mancherorts als Weltstadt, nämlich überall dort auf der Welt wo sich die Jugend an der Bushaltestelle trifft. In Berlin wohnen! Als Künstler, als Techno-DJ, als Blogger oder um Becksbier zu trinken und ein iPhone auf den Gaststättentisch zu legen. Die Kunst, die in Berlin produziert wird, ist die Kunst von vor zwanzig Jahren, ebenso wie die Musik und die Literatur; die gängige Mode ist geradezu grotesk lächerlich, man würde Menschen in anderen Städten so selbst den Zugang zu einem zoologischen Garten oder einer Minigolfbahn beispielsweise verwehren, da sie natürlich sofort als überholt und abgeschmackt erkannt werden würde. Die selbsternannte Avantgarde ist ein Haufen von betrunkenen Narren, der sich zu Unrecht des Begriffes der Bohème bemächtigte um ihn mit Füßen zu treten und zu beschmutzen. In Wahrheit handelt es sich natürlich um Kleinbürger und Zurückgebliebene; Kinder deren Federtaschen in jeder Schulpause aus dem Fenster geworfen wurden damals, das ist ja offensichtlich. Objektiv spreche ich von Gescheiterten, die keinen Nagel gerade einschlagen könnten, und dieses Unvermögen dann wortreich und zugleich dumm, dem Hammer, dem Nagel oder dem Holz anlasten würden, die nicht Schillers Lied von der Glocke rezitieren könnten, geschweige denn einen einzigen geistreichen Standpunkt zu irgendeinem beliebigen Thema liefern könnten, selbst wenn es sich um typische Idiotenthemen wie Dubstep oder Social Web handelte. Begünstigt wird die geschilderte Abgeschmacktheit des Auftretens und der dort im Osten herrschenden faden Gedanken noch durch die widrige Wohnsituation in den genannten Bezirken, Berlin Mitte und Friedrichshain beispielsweise, Prenzlauer Berg nicht zu vergessen. Im Gegensatz zu den sehr schönen und geschmackvollen bürgerlichen Bezirken des Berliner Westens, sind die Ostbezirke von baulicher Enge geprägt, es dominieren die Arbeiterquartiere, großzügige Boulevards und schöne Parks wird man dort leider vergeblich suchen. Ich nenne diese Umstände um zu verdeutlichen, wieso die Menschen, die in Ostberlin als Künstler ihr Leben fristen müssen (selbstverschuldet), so verhärmt wirken, käsebleich und von schlechter Körperhaltung gezeichnet sind, sie bewohnen ehemalige Mietskasernen, feucht zumeist und von Schwarzschimmel befallen mitunter, die zu gefragten, den gefragtesten Quartieren der Stadt wurden; Miethaie und Immobilienspekulanten lachen sich ob dieses Umstandes natürlich zurecht ins Fäustchen. Sie müssen sich das bitte vor Augen führen, schummrige und stockige Hinterhofwohnungen zu einem Preis, zu dem sich spielend ein Haus in Italien kaufen ließe, an den herrlichsten Orten wohlgemerkt, mit Blick auf den Lago Maggiore beispielsweise, den Garten voller Zitronenbäume etcetera. In dieser schlechten Umgebung also, Berlin Mitte, Friedrichshain und Prenzlauer Berg als Beispiel, zwischen Müll und Hundekot, umnebelt von Autoabgasen, in Gesellschaft der größten Idioten der Welt natürlich, bei stumpfsinnigen, sich unerträglich im Kreise drehenden Gesprächen, zudem ohne Blick auf Bäume oder den Himmel kann nur Schlechtes entstehen, das ist jedem klar, es ist ja überdeutlich. Es verbleiben nunmehr nur noch einige wenige akzeptable Stadtbezirke in Berlin, wie Westend, wenige Lagen in Wannsee und Grunewald in denen es sinnbildlich nach Amerika, nach Atlantik und nach Aglianicotrauben riecht und nicht nach Kohleverstromung, Hundekot und Becksbierneigen. Es ist ja so, daß selbst Ostdeutsche, die ich hier in Westend durch die Straßen führe oder in ein gutes Restaurant einlade, ganz beeindruckt, geradezu geblendet sind in Angesicht der großzügig angelegten Straßen, einer kühnen Achse wie dem Kaiserdamm etwa, und mir ihren Wohlgefallen hundertmal versichern, wenn wir vor den prächtigen Stadtvillen mit den schönen Gärten stehenbleiben und den alten Baumbestand betrachten, die nach dem Kriege von kundiger Hand renovierten Fassaden, aber auch, oder mitunter gerade die – einst von wegweisenden und führenden Architekten pfiffig und modern geplanten – Betonbauten der Bauausstellung. Zusammenfassend lässt sich sagen, daß selbst die häßlichsten Lagen Westberlins mehr Charme und weltstädtischen Esprit versprühen als ganz Berlin-Mitte, diesem widerlichen und alles verwesenden Pestizidkübel.

Deutschland schenkt den Ostlern eine Autobahn

Mit dem eigenen Kraftwagen zu reisen ist beängstigend, wohl schon immer gewesen, es handelt sich schließlich bei Autobahnen in jeder Hinsicht um Orte des Grauens die Adolf Hitlers morbiden Gehirn entsprangen. Das Fahren selbst ist bereits ein reines Vabanquespiel, aber selbst wer Manns genug ist sich nicht dem Sekundenschlaf hinzugeben oder unglücklich nach einem unter den Sitz gerollten Orangensaftverschluß zu tasten, schwebt in steter Gefahr, Opfer eines auf der linken Spur – aufgrund ungünstiger hormoneller Einstellung – mit zweihundertsdreißig Sachen, forsch heranbrausenden Handelsvertreters zu werden. Oder diese längs der Fahrbahn angebrachten, visuell leicht zu erfassenden, braun-weiß illustrierten Schilder, zum Behuf, dem Reisenden Naturschönheiten oder historische Bausubstanz schmackhaft zu machen und so listig in die erbärmliche potemkinsche Fachwerkhölle der Provinz zu locken. Wer nichts hat, wie das wüstenartige Territorium der ehemaligen DDR beispielsweise, versucht vermittels Blechschild wenigstens zu behaupten, die Landschaft sei lieblich, oder eben historisch, selbst wenn es sich offensichtlich um verbrannte Erde handelt und man im zügigen Transit durch die getönten Seitenscheiben größere Gruppen gewahrt, die sich am Samstagabend auf einsamen Tankstellen unsäglicher Ortschaften trafen um ihr Elend mit Branntwein zu betäuben. Zum Glück ist Westdeutschland jedoch so generös, in den betroffenen Landesteilen recht schöne Windkraftanlagen zu betreiben um so den verhärmten Menschen des ehemaligen kommunistischen Unrechtsstaates wenigstens etwas Erhabenheit und Lebensfreude zu schenken. Weiter, bloß weiter, lautet hier die Devise des Kraftfahrers!

Eine Gaststätte aus Beton, die einst ein sich kühn wähnender Architekt in futuristischer Absicht über die Schnellstraße spannte, auf das die Besucher, beim Speisen von Schweinenieren an Letschokroketten auf eine scharfe Fahrbahnkurve blicken können, in der vagen Erwartung schicksalhaft entfesselten Stahles an Feuerball. Jedoch nicht nur die schlauchartige Gaststube, auch die Sanitärraume und Parktaschenbereiche draussen sind von schrecklich langsam und zombiehaft vorwärtstaumelnden Menschen überflutet auf der Suche nach Bratfett und Benzin. Verwachsene, bei denen sich bleiches Fettgewebe an ungeahnten Stellen nach aussen stülpt, so grobschlächtig, bedrohlich und zugleich ungemein weich, daß sich die Nackenhaare des wohlweißlich an kurzer Leine gehaltenen Jagdhundes aufrichten und die Lefzen des Tieres zu zittern beginnen. Die Diagnose des Hundes ist klar und richtig, es herrscht hier ein Überfluss an gutem weichen und fettreichen, leicht zu reißendem Menschenfleisch. Allerdings darf man dem Drängen des domestizierten Raubtieres nicht nachgeben, er wird schließlich primär deshalb gehalten, da sein lockig fallendes Fell recht schön glänzt und die schwarzbraunen Augen so treu blicken; das Ausagieren des Jagdtriebes sollte unterbunden werden, der Gesetzgeber sieht es so vor. Später dann, in einem waldreichen Hügelland, warnen Schilder, die einen stilisierten, im Sprunge begriffenen Rehbock vorstellen, vor dräuendem Wildwechsel. Nicht auszudenken, wenn Damwild leichtsinnig und in falsch verstandener Wildheit seine zweifelhafte ökologische Nische verlässt und in arttypischer Blödheit über die Piste sprengt, dort auf einen in Reisegeschwindigkeit befindlichen Kraftwagen trifft, daß das zerschmetterte Wildbret schrapnellartig durch die geborstene Frontscheibe in die Fahrgastzelle eindringt und so vielleicht eine Kleinfamilie ausradiert. Dann hat man nämlich mal Pech und Prostataprophylaxe, Bausparvertrag, Seitenaufprallschutz und alles waren für die Katz.

In der Verwallgruppe (Zeichnet Kriegsanleihen)

Die tintigen Schattenrisse von Antennen, funktionslos natürlich, rostig und von Vogelkot verkrustet, vor einem Gestirn an dem die letzten Sterne verblassen und aprikosenrote Zirren erscheinen in schwindendem Königsblau. Währenddessen: Männer binden sich schweigsam ihre Stiefel und vor den Mündern stehen Wolken aus Lungenvolumen, die Wärme von Rindsbouillon und Beuteltee. Kaltblütige Kameraden sind es, die bei Zwielicht in die verschneite Verwallgruppe einsteigen, eine tollkühne Route durchs Gneis ist geplant, da das Wetter günstig scheint. Doch da aber zaudert der Lump! Ein deutend ausgestreckter Zeigefinger warnt vor einer verirrt umhertaumelnden Wespe und auf dem Hof werden die Schreie von Elstern vernehmlich. Mein Hals kratzt, ich benötige Halstabletten, ein Schilddrüsenpräparat und erhalte schließlich Sahnebonbons, als ich die Anzeigenverwaltung der Berliner Morgenpost betrete, die verzogene, von Flugrost pockige Türe aufstosse, die beschaffen ist, wie die Eingänge der Passierscheinstellen des Ostens. Im Glimmlampenlicht drinnen drücken sich die Wartenden auf der Bank zusammen und eine Bettlerin erhebt sich und legt klagend Hand an mich. Der rachitische Akquisiteur am Schalter hat seine grauen Zähne in einen Kanten Brot geschlagen, während Materialerhaltungsminister Frank Walter Steinmeier spricht, aus einem an der Wand hängenden Plasmabildschirm, er weist das Volk an zu sparen, mit Energie und Kohlenhydraten. Als Kartoffelbote bin ich der natürliche Freund der Hausfrauen, deren Männer an der Ostfront sind oder woanders gefallen und nachher streiten wir über ein Supermarktprospekt gebeugt, ob die missverständlich abgedruckten Preise für Würste, Gekröse und Kinder Choco Fresh (vormals: Kinder Prof. Rhino) nicht eine Wettbewerbsverzerrung darstellen. Huch.

Écriture automatique I

Mit dem Fahrrad spazierenzufahren durch das Umland erzeugt ein gemischtes Gefühl aus Freiheit und daraus resultierender Reinigung. Ich hatte es ein wenig vergessen und es behagt mir, auch wenn es an der Landschaft einiges zu kritisieren oder zu bemäkeln gäbe. Dann stand ich auf einer, die Havel überspannenden Brücke, der Blick öffnete sich weit und aus den Baumknäueln am fernen Ufer spitzen oben die Kirchtürme raus, die im Sinken begriffene Sonne färbte alles orangerot, bald violett, bald blau und ein schwerer Güterzug donnerte über die Brücke, daß alles schwankte und unten in seinem Motorboot popelte sich ein Beamter der Wasserschutzpolizei in der Nase, da er sich unbeobachtet wähnte. Auch fuhren Motorboote im Kreis herum und zogen Menschen an einer Leine hinter sich her, das schmeckt mir nicht dieser Wermutstropfen in Form von Wasserski, ich finde aus dem restlichen Öl sollten lieber Plastiktüten hergestellt werden oder solche Kunststoffkästen für den Kühlschrank, wenn man mal eine Ananas nicht geschafft hat. Ananas soll ja den faden Geschmack des Spermas vertreiben, dem Mannessaft vielmehr eine fruchtig süße Note verleihen, las ich neulich irgendwo, sicher im Internet. Auch das Kühe sehr wohl schwitzen, unter den schwarzen Flecken mutmaßlich mehr, so es sich denn um Schwarzbunte handelt. Allerdings stellte sich mir dann ein quadratköpfiger Wachschutzmann in den Weg, als ich volle Kanne mit dem Fahrrad fuhr, sie können hier nicht weiter – sinngemäß – weil ein musikalisches Event durchgeführt wird. Mir passen diese Typen nicht, mit ihrem kargen Wortschatz und ihrer mangelhaften sozialen Kompetenz, überhaupt dieses doofe Schloß da, genau genommen ist das ganz schön kitschig, maßlos überschätzt und man könnte es recht gerne auch in die Luft sprengen, mit TNT beispielsweise, und dafür Gropiusstadt und das Märkische Viertel zum Weltkulturerbe erklären. Jedenfalls galt es einen Riesenumweg zu fahren und dann war es dunkel und ich stieg nebst Fahrrad in die S-Bahn und mir schräg gegenüber saß eine ältere Dame mit ihrem Mann, sie trug eine hellblaue Bluse, darauf waren die Silhouetten von Pferden zu erkennen, recht räumlich, als flögen die Tiere in der Luft herum, aber ihre Körper waren kariert, wie es Schottenröcke sind, und an manchen Stellen waren die Pferde mit Metallschnallen zusammengebunden. Die Frau war äusserst nervös und nestelte viel am Revers ihrer hippophilen Psychobluse herum und der Kopf fuhr hin und her zwischen ihrem Gatten und der nunmehr finsteren Scheibe in der sie ihr Spiegelbild, ihre pechschwarze Pudeldauerwelle auch betrachtete. Der Mann trank Pilsener Bier, sie die Neige einer lauwarmen Orangenbrause, die schillernde Blasen warf, als sie die Pulle an den Hals setzte.

Unter Papageienlaternen

Ich gebiete meinem am Boden liegenden Hund ruhig liegenzubleiben, als sich ein weiterer Hund schnuppernd nähert; weise ihn an, weder zu knurren noch zu beissen. In Angesicht meines warnend erhobenen Zeigefingers lässt er die Annäherung gewähren und beginnt zunächst zögerlich, später hingebungsvoll das noch weiche Fell des Hundes zu lecken.

Eine dunkle Straße bei Nacht, die von hochaufragenden und fensterlosen Gewerbegebäuden gesäumt wird. Plötzlich fliegt eine Tür auf und ein Mann wird in die Gosse gestoßen. Im sich schließenden Türspalt blitzt für einen Augenblick Halbweltmilieu auf; rotbedruckte Laternen und Männer von stämmiger Statur, die über Glücksspieltische gebeugt sitzen. Dann werde ich durch neonbeleuchtete Räume geführt wie bei einer Betriebsbesichtigung; eine ehemalige Werkshalle, die mit weißen Blähbetonsteinen in kleinere und verwinkelte Räume aufgeteilt wurde. Ein Armenasyl ist zu sehen; bei fahlem elektrischen Nachtlicht heben und senken sich die Brustkörbe von Schläfern unter den rauhen Decken mehrstöckiger Betten. Oder eine Werkstatt, in der ein Mann sein Handwerk, die Verarbeitung von menschlichen Leichen, gelassen und konzentriert ausführt, als arbeite er mit Uhren oder Radioapparaten. (In Adern, durch die einst Blut floss, steht nun das Formalin.) Die Leichenteile würden in flüssigem Stickstoff gekühlt, und ließen sich dann recht einfach in filethaft feine Scheiben sägen, sagt er, und nimmt seine dunkle Brille ab und das linke Auge fehlt, ein Loch nunmehr, eine verknitterte Narbe wie altes Pergament.

Die Welt in meinem Ohr

Beim Einschlafen habe ich manchmal das Gefühl, als ließe sich das Gehör durch Konzentration immer weiter verfeinern, als könne man mit den Ohren in beliebige Richtung auf endlose Reisen gehen. Durch die im Morgenwind leise raschelnden Baumkronen, immer schneller werdend, vorbei, an den, im Rhythmus des Flügelschlages knackenden, Gelenken ziehender Gänse, durch die Stratosphäre, knisternde Eiskristallwolken passierend, hinein in einen trägen Raum der Aeolsharfen. Je größer und erhabener, desto langsamer. Oder ein Mann, der zwei Straßen weiter klickend sein Portemonnaie aufmacht, um etwas Hartgeld zu entnehmen für die Zeitung, an einem Kiosk, der schon bedient; vom Zellstoff des Blattes nahtlos in seine Kohlenstoffstruktur, rasend und turbulent, als säße man mit Super Mario in so einem vergnüglichen Computerauto, bricht sich das Ohr Bahn durch das Maul eines schmatzenden, unter der Grasnarbe lebenden Engerlings um immer weiter hinabzuschnellen, durch kratzendes Gestein vorzustoßen in das brodelnde Innere der Erde oder später auf Deck eines Flugzeugträgers zu zerschellen mit dem Geräusch von Fallobst.

Direkte Ansprache in der dritten Person

Man sieht hier noch das frühere Kino, später mit senfgeprenkelten Fliesen ausgekleidet zum Lebensmittelgeschäft, daß man mit dem Schlauch durchgehen könnte wenn nötig, die von schmalen Schlitzen durchbrochene Empore, von der die Filme durch einen – so stelle ich es mir vor – staubigen Saal an die Leinwand projiziert wurden. Eine Frau, wohl Russin oder Polin, die sich im Supermarkt mit zwei soeben gekauften Plastikbeuteln voller Blumenerde müht, so flachgepresste, die dann aber, sobald man sie unter den Arm zu klemmen versucht, nachgeben und schlapp in der Mitte durchhängen, zu sehr um sie würdevoll greifen zu können, zu wenig jedoch auch zum bruchfreien Falten des Gebindes. Da wendet sich schließlich die Kassierin in ihrem Drehstuhl der mutmaßlichen Russin zu, sie trägt eine Strickjacke mit Rentiermotiven, da Zugluft hier ein Problem darstellt, und die Tiefkühlregale ein zusätzliches an feuchter, an die Nieren gehender Klammheit aushauchen, und sagt – vielleicht auch weil sie mit der Russin vom Sehen bekannt ist, eine gut zahlende Kundin möglicherweise zudem, die auch Morchelöl oder andere hochpreisige und überkandidelte Waren kauft – sie kann den Einkaufswagen auch mitnehmen und später wiederbringen. Dabei blickt sie aber die Russin direkt an, so als spräche sie in der zweiten Person zu ihr, und lächelt etwas; die Angesprochene hat sich, der an sie gerichteten Worte wegen, aufgerichtet, von den Substratsäcken abgelassen und wischt sich schlanken Fingers einige Krumen von ihren safranfarbenen Hosenbeinen, die in blankgewienerten rotbraunen Lederstiefeln stecken. Will er den Kassenbon, sagt später die Kassiererin mich ansehend und mir zugleich das aus dem Drucker hervorkringelnde, zahlenbedruckte Papier mit fragender Geste hinstreckend.

Motiv Großstadt und Probleme des Transports

Unversehens befinde ich mich in einem großstädtischen Tableau, einer Szene wie aus einem Bilderbuch, mit deutlichen Darstellern und emblematischen Ereignissen auf denen die dicken Finger von Kindern ruhen. Ein großes Auto hat sich auf der Fahrbahn quergestellt und ein kleines Auto ist in die Seite gescheppert. Alles kaputt. Der Fahrer des großen Autos steht auf der Straße und raucht lässig eine Zigarette, an sein rechtes Ohr hält er ein Telefon und spricht selbstsicher. Die Fahrerin des kleinen Autos ist auf ihrem Sitz zusammengesunken und schämt sich. Offensichtlich ist die Frau schuld. Ohne kleine Autos, keine großen Autos. Ich verlasse gerade eine Kleingartenanlage in der die Bäume knospen, einige blühen schon. Die Krume ist feucht und ein Hund kotete mit konzentrierter Mimik. Die S-Bahn donnert über einen nahegelegenen Bahndamm, daß die Büsche wogen. Eine kleine Kapelle tritt auf. Drei schnauzbärtige dunkle Männer, deren Oberbekleidung aus tarnfarbenen Uniformteilen und Turnhosen mit mangelhafter Paßform besteht und Schuhen, die am Hacken heruntergetreten sind. Schiefgelatscht, von mäandernden Falten zerbrochen. Und sie musizieren mit einer Trompete, einem Akkordeon und einer kleinen Trommel zum umhängen, inbrünstig, als trügen sie eine stumme Moritat vor, die von einem ethnischen Krieg berichtet. Und ein anderer Mann im Hintergrund hält Farbausdrucke in Din A 4 hoch, die belegen sollen, wie verschlagene Institutionen den Himmel verfinstern mit Flugzeugabgasen; der Mann hat nur noch wenige Zähne; ein vergilbter Schneidezahn ist sichtbar und er bittet um die Aufmerksamkeit der Menschheit. Ein Behinderter sitzt in seinem Rollstuhl und zuckt hospitalistisch. Eine Hälfte seines Gesichtes scheint zu fehlen, die Haut ist scharlachrot verfärbt und von geschwollenen schwarzen Warzen übersät. Der Behinderte steckt sich mit der Hand ein Wiener Schnitzel in den Mund; sein Mund ist sehr groß, ein Schlund vielmehr und dunkle Nüstern die unregelmäßig pfeifen. Die Szene ist schmerzhaft interessant und wird durch jenseitige Flaschensammler zu einer dixschen Collage des Leidens ergänzt. Mehr noch als das hübsche blonde Mädchen mit den feuchten braunen Augen, die anmutig Pralinés aus einer transparenten rosa Cellophantüte fischt.

Routinemäßige Wartungsarbeiten werden durchgeführt

Nachts, so um drei, wird das in einigem Abstand gegenüberliegende Hochhaus regelmäßig zu einem unwirschen Emoticon; mit seinen wenigen noch erleuchteten Fenstern blickt es zerknirscht herab auf das schlafende Westend, vergangene Nacht auch auf eine sich langsam von Osten her vorwärtslärmende Gleisabschleifmaschine (Topos Höllenmaschine), das betongegossene Lichtgesicht wird zunehmend zu einem schief lächelnden Smiley (Symbol für atonales Acid House). Der Apparat auf Eisenrädern kreischt und die Funken stieben, eine flächig erleuchtete Fassade nun wie um zwanziguhrfünfzehn bald. Nachtmützenbewehrter deutscher Michel läuft umher, pfropft erzürnt Ohropaxstopfen tief hinein in den Gehörgang, bis ins Gehirn. So ihr Lampenputzer, Großstadt! Hammerschlag und Häuserquader zittern…