Hightatras

In Genrebildern

Des Nachmittags, als ich mit Schlittschuhen über einen erstarrten Strom glitt, schwebten, dem fliegenden Holländer gleich, Eissegler vorüber, gravitätisch und mucksmäuschenstill, weit hinaus auf die spiegelglatte Eisfläche, gegen die Bruchkante, die Fahrrinne des in der Sonne funkelnden Gestades, von dumpf stampfenden Eisbrechern klirrend in die frostigspröde Oberfläche gesprengt, daran zahlreiche Wasservögel, bald kalorienschonend lagernd, bald unter gellendem Rufe hysterisch auffliegend; Eishockeyspieler in farbenfrohen Anoraks, die dem Puck mit großem Hallo nachjagten, Familien mit Kind und Kegel, ja wohl selbst Oheim und Mume in Lammfellpelze gemummelt, die auf Schlittschuhen ihre Kreise zogen, daß es nur so eine Art hatte; Hunde, diese wuscheligen Räuber, die wie toll umhersprangen und um Bodenhaftung rangen, daß den Besitzern die Heiterkeit, ob des drolligen Unvermögens ihrer Dreckstölen, in die Gesichter geschrieben stand und oben – droben – über allem flashte ein überkrasser 32-Bit-Farbverlauf, der alle Register zog und der Grunewaldturm trotzte, in köstlich güldene Valeurs später Sonne getaucht, dem scharfen Nord-Nordost, der unerbittlich blies, daß die pausbäckigen Gesichter der Bürger rot erglühten. Als ich nun, im Laufe begriffen, mit blutendem Herzen, meinen Blick von diesem reichen Bilde riss, gen Boden blickte, zu den Spuren im Eis, dieser grazil geschwungenen Kufenschrift, die ja bekanntlich vergänglich ist, wie das Leben und die Liebe, gewahrte ich, im Eise eingebettet, als handele es sich um Schneewittchen in ihrem gläsernen Sarge, einen gewellten Zettel aus Büttenpapier, darauf stand mit vollendet schöner Sütterlinschrift geschrieben: Wer das liest, befindet sich tatsächlich in einem Gemälde, einem Gemälde allerdings von Thomas Kinkade, oder doch eher von Carl Spitzweg? Keine Ahnung, vielleicht ein Carl-Spitzweg-Thomas-Kinkade-Mashup oder so. Allerdings ragte nicht die pittoreske Turmsilhouette einer gotischen Stiftskirche in den abendlichen Nebelglast, die Frauen trugen keine Muffs und auch kein scheues Rehlein stakste langbeinig auf eine überirdisch erleuchtete Lichtung um sein verficktes Bambinäschen in den Abendwind zu recken. Diese Dinge fehlten also. Trotzdem wurde der Sonnenuntergang von Hobbyfotografen vielfach angeblitzt, die Situation gefiel – auch mir (ohne Fotoapparat und Fotografierambitionen). Würde es sich um ein Bild von Thomas Kinkade handeln, kringelte der Bildungsbürger alles rot an und schriebe Kitsch an den Rand. Befindet er sich jedoch real in einer Thomas-Kinkade-Situation, so behagt es ihm, er denkt, hallo, wie geil ist das denn, und das Leben dünkt lebenswert. Thomas Kinkade war mir übrigens neu – ich wurde darauf hingewiesen. Als ich die Bilder zum ersten Mal sah, im Internet, fiel bei mir der Blutdruck muss ich sagen. Ach du grüne Neune, entfuhr es mir, das ist ja der letzte Scheißdreck!

Nun behaupte ich aber, es gibt keinen rational begründbaren Qualtätsunterschied zwischen der Malerei der Romantik beispielsweise und den Machwerken von Thomas Kinkade, mal abgesehen von der Tatsache, daß sich William Turner zu Thomas Kinkade verhält wie die Beatles zu Oasis. Nun könnte man behaupten, die Produkte Kinkades werden in Fabriken produziert, hinter ihnen stehe also das Streben nach Gewinn, nicht jedoch Empfindsamkeit oder eine künstlerische Aussage. Dem muss ich entgegenhalten, daß die Bilder Rembrandts, mit denen die Wände der namhaftesten Museen gepflastert sind, in nicht unerheblicher Menge von Assistenten produziert wurden. Rembrandt war quasi ein früher Markenname, wie es heute Coca-Cola und Gucci sind, die Produktion erfolgte arbeitsteilig; nichts anderes macht dieser Kinkade, der ja zudem ein Zeitgenosse des 21. Jahrhunderts ist, einer Epoche in der die maschinelle Duplizierung und Erstellung von Bildern längst anerkannter Standard ist.
Nun ja, man könnte ferner behaupten, diese Bilder seien ja nun inhaltlich und formal wirklich etwas over the top. Das muß so sein, sage ich, das Biedermeierliche muss heute biedermeierlicher sein, als noch zu Spitzwegs Zeiten, um überhaupt eine Anmutung von Biedermeier zu erzeugen, es liegt an Auschwitz vielleicht, und an der Tatsache, daß Süchtige, Glukosejunkies in diesem Fall, bekanntlich die Dosis immer mehr erhöhen müssen; das Proletariat also, das sich diese Kinkadeprodukte kauft, als Soma, als Flucht aus der Welt in paradiesische Parallelwelten, die sich mehr oder weniger subtil, mehr oder weniger unverhohlen alle Menschen wünschen – wenn auch in der Geschmacksrichtung Steampunk oder mit brennenden Mülltonnen.
Ich fasse zusammen: es gibt keinen rational begründbaren Qualitätsunterschied zwischen diesem Kinkade-Trash und den Hochkultur-Ölschinken in den Museen. Subjektiv finde ich natürlich, daß Jan Vermeer oder Caspar David Friedrich beispielsweise die krasseren Maler sind, mit derberen Skills, die Sujets sind aber durchaus sehr ähnlich und auch die Werke Caspar David Friedrichs, bildeten, schon zu seiner Zeit nicht, die, seine Zeit prägende gesellschaftliche Umwälzung (Industrialisierung) ab, bestenfalls als gegenläufige visuelle Überreaktion. Die Trennung zwischen Kitsch und Kunst, zwischen Scheiße und Ästhetik ist eine stille und unbegründbare – wie ich behaupte – Übereinkunft, der in Bürgerhäusern sozialisierten und denen, die auf die heiligen Werte der Hochkultur in Kunsthochschulen und Leistungskursen gedrillt wurden.

So ein Kinkadepuzzle wäre, in einen neutralen, einen weißen Karton verpackt, der also keine Rückschlüsse auf seinen Inhalt zulässt, ein recht gutes Geschenk – eine Art Gleichnis für einen Beschenkten mit Humor: Je mehr die Lösung eines Problems voranschreitet, desto deutlicher wird das Grauen der Eindeutigkeit.

Herr No entlarvt den Begriff der Schönheit erneut als sinnlos

Neulich ging ich im Rahmen von Besorgungen an einem Haus vorbei, das einst einem expressionistischen Seestückmaler als Wirkungsstätte diente, ferner verstarb in der Beletage ein Adliger im Kugelhagel zotteliger Terroristen. Ein gutes und geschichtsträchtiges Haus also, mit Böden aus Fischgrätparkett, welches mit ausnahmslos geschmackvollen Läufern in gedeckten Farben belegt ist (sicherlich).

Manchmal schreite ich in Ostberlin an einem übel beleumundetem Bordell vorüber und neulich stand dort ein handgeschriebenes Schild in den rot verschleierten Fenstern des Etablissements: Neue Thaimodelle eingetroffen. So wie Dinge mitunter zugleich wahr und falsch sind, so ähnlich ist auch dieses Schild traurig und lustig zugleich. Vom Duktus des Schildes auf den Schreiber zu schließen kann den Zyniker erheitern, ihn sich als den Arbeitgeber der neuen Thaimodelle vorzustellen, ist jedoch der betrübliche Aspekt des Schildes – der Situation hinter dem Schilde –; ihnen dräut wohl in jeder Hinsicht kein Zuckerschlecken, ganz zu schweigen von meinem ersten Gedanken: was geschah wohl mit den alten Thaimodellen? Fürchterlich. Auch dieses junge frustrierte Elternpaar in der Bahn, das das Leben zusammengeschüttelt hat, wie es mit Kleinstprodukten auf einem Rüttelband geschieht, welche man aus den Propagandafilmen des Fernsehens kennt, die in reisserisch wochenschauhaftem Ton die industrielle Fertigung verherrlichen. Die weiblichen Kurven, der wohl einst anmutig gebauten Mutter, die im Begriff sind, von Tiefkühlfett egalisiert zu werden, der Swarovskistein, der zwischen ihren spitzen Nagerzähnchen aufblitzt, wenn sie den Zwillingskindern, die bleich und verschüchtert in ihrem Zwillingskinderwagen kauern, ungehaltene Anweisungen zubellt und der Bürstenhaarschnittvater an ihrer Seite, mit großen Schuhen und eingefallenen Wangen, eine gebrochene, eine käthekollwitzsche Existenz. Hier gilt das Leben nichts, es ist ein hässliches Land, von Würmern besiedelt, es ist Ostdeutschland. Kinder und alte Thaimodelle enden in der Tiefkühltruhe oder Spaziergänger machen einen grausigen Fund im Unterholz, man kennt das aus dem Fernsehen.

Ich sitze übrigens momentan auf meinem italienischen Dreitausendeurosofa in meinem mondänen Westendappartement und trinke eine schöne Tasse Kaffee. Die Tasse ist auch ohne Kaffee sehr schön – sie ist von Villeroy & Boch®. Es ist ja immer zum lachen, wenn Menschen sagen, sie würden jetzt eine schöne Tasse Kaffee trinken. Besser noch, wenn sich Menschen eine schöne Tasse Kaffee gönnen, als sei die schöne Tasse Kaffee, eine, wenn auch nur kleine, so doch überaus verdiente Zäsur in einem puritanischem, von Entbehrung und Lohnarbeit geprägtem Leben.

Es stellt sich die Frage, was ist an der Tasse Kaffee schön, wenn beispielsweise das Matterhorn auch schön ist, oder eine Frau schön ist. Was eint also das Matterhorn, die Tasse Kaffee und die Frau (die nicht hübsch ist, da sie schön ist)? Ist es dumm, eine Tasse Kaffee als schön zu bezeichnen, wenn das Matterhorn – das auch als erhaben bezeichnet werden kann – als schön bezeichnet wird, oder ist es vielmehr ein Indiz für die Weisheit des Kaffeetassenschönfinders; ist doch das Entdecken von Schönheit in den Dingen, wenn auch nur in aufblitzenden Spuren, die Fähigkeit des wahren Schöngeistes, der die Schönheit nicht nur in den Künsten und der Natur entdeckt, sondern auch in den unscheinbaren, den profanen und künstlichen Dingen. Das einende Element ist wohl die positive Empfindung die das Schöne im Gehirn des Betrachters, des Fühlenden hervorruft, ein chemisches Wohlfühltheater also.

Kann aber etwas schön sein, wenn ich es in eine Staffelung zu anderen, mehr oder weniger schönen Dingen bringen kann, also wenn ich das Matterhorn schöner finde als die Frau oder umgekehrt? Nehme ich an, es gibt so eine Staffelung, wann hört das Bezeichnete auf, schön zu sein, wann beginnt das Gewöhnliche, wann das Hässliche? Wenn das Minderschöne folglich auch immer das Gewöhnliche, das Hässliche in sich trägt, kann es dann überhaupt schön sein? Oder ist das wahrhaft Schöne vollkommen schön und der nötige Kontrast, um das Schöne als schön empfinden zu können, befindet sich an einem anderen Ort, jedenfalls in einem anderen Ding. Gewiss ist wohl, daß die Schönheit der Frauen und die Schönheit der Kaffeetassen vergänglicher, sowie stärker dem Wertewandel, dem veränderlichen menschlichen Schönheitsideal unterworfen sind als das Matterhorn. Das Matterhorn ist, wenn nicht ewig, so doch sehr lange schön, am schönsten vielleicht, weil es der Archetyp des Berges ist – Emblem des Alpinismus allemal. Frauen sind jedoch nicht unweigerlich am schönsten, nur weil sie breite Hüften und große Brüste haben, wie die Venus von Willendorf beispielsweise…

Die Hasenstatue

Ich begehe mit S einen schmalen Weg aus Lehm, der um einen mittelgroßen, von Buchenwald gesäumten See in Ostdeutschland führt. S trägt einen leger geschnittenen Freizeitanzug aus graumeliertem Jerseystoff mit elastischen Bündchen aus Lycra.

Deine Kleidung wirkt sehr bequem, sage ich zu S.

In einigen der zahlreichen kleinen Buchten sitzen stark tätowierte Skinheads mit großen Problemhunden und nagen schweigsam am Hungertuch. Am Ostufer des Gestades befindet sich ein Ferienlager für polnische Jugendliche, die sich heute, da die Sozialarbeiter MCing als Tagesordnungspunkt vorsahen, in einem Rapbattle messen, daß die derben Beats über die spiegelglatte Oberfläche des eiszeitlich bedingten Standgewässers schallen und einige Wasservögel schreckhaft auffliegen.

Da gewahre ich, noch vor S, im zwielichtigen Dickicht halb verborgen, die aufgelassene Keusche eines Waldbewohners. (Der Waldbewohner ist an einer Lungenkrankheit verstorben und seine Leiche wurde von Tieren aufgefressen entnehme ich einem Pop-up, welches sich bei Annäherung öffnet.) Auf einer Lichtung unweit der Keusche, liegen vermodernde, bald ins Erdreich sinkende Kunstbildbände verteilt, Tizian, Brueghel und Canaletto etwa; die Bildtafeln sind vom Regen aufgefächert und im Verblassen begriffen, von falben Insekten bewohnt und somit naturgemäß zu Humus zerfallend, wie alles Unbeseelte mit der Zeit. Von der widrigen Witterung weitgehend unbeschadet geblieben, da unter dem überkragenden Dach der Keusche auf einer Bank stehend, ist jedoch eine, aus dunklem Eschenholz geschnitzte, circa zwanzig Zentimeter hohe Statue, welche einen Hasen in sitzender Position abzubilden scheint. Die Hinterpfoten des dargestellten Hasens sind mit klassischen Herrenhalbschuhen bekleidet, wobei die hinteren Läufe des Hasens, eng um den Körper geschmiegt sind, als läge der Innenrist der natürlich ebenfalls geschnitzten Herrenhalbschuhe am Steiss des sitzenden Hasens. Die Struktur des Hasenfelles ist etwas stilisiert und folgt in seiner Form, ebenso wie die, von Ernsthaftigkeit zu Verhärmtheit überhöhte, Physiognomie des Hasens, der expressiven Idee des Künstlers; die Ausführung der hölzernen Herrenhalbschuhe jedoch ist von peinlichstem Naturalismus geprägt, jede Öse, jede Zwienaht, ja selbst die, sich widerspenstig, wie im Winde windenden Schuhbänder wurden von kundiger Hand detailgetreu in das gute Hartholz geschnitten. Kopf und Extremitäten des Hasens, der tatsächlich kein Hase ist, auch kein Hase aus Holz, sind, im Vergleich zu dem Körper, überproportional groß dargestellt. Die ganze Form der Statue wird weiters durch die recht komplexe, auch kleinteilige Maserung des Eschenholzes gebrochen und im Gehirn des Betrachters erweitert wie Bauschaum.

Sie erhalten Anschluss an den ICE Friedrich Nietzsche aus Gleis 7

Der Deutsche ist wenigstens evolutionär auf ganzer Linie gescheitert, wenn man ihn beispielsweise mit dem Hund vergleicht. Dieser ist sein ganzes Leben lang begeisterungsfähig und munter, er findet Gefallen an den größten Nichtigkeiten; Begeisterung, die nicht selten in Ekstase kulminiert, selbst wenn nur ein vollgesabberter Tennisball der Anlass ist. Hunde sind genügsam, fatalistisch, vergesslich und blöd, also optimal gewappnet um am domestizierten, somit unwölfischen Leben nicht zu verzweifeln. Im Gegensatz zum sentimentalen und degenerierten Deutschen, der einerseits intelligent genug ist, Fußbodenheizungen und Wunderwaffen zu ersinnen, andererseits aber nicht intelligent genug ist, seiner Gefühle, namentlich denen des Leids und seiner ihn verzehrenden Triebe – Kraft seines Geistes – Herr zu werden. Er neigt zur Schwermut, es ist in seinen Genen so angelegt, und wird zusätzlich noch befeuert durch den Konsum von Klassik, durch Goethe und diese ganze niederschmetternde Musik in Moll; der Alpdruck lässt sich weder durch Schunkeln, noch durch das Anzetteln von Weltkriegen dauerhaft abschütteln leider.
Unter anderem deshalb liebt der Deutsche den Hund, wie Hitler seine Hündin Blondie, da er in ihm das erblickt, was er gern wäre, vielleicht nach der Wiedergeburt oder so: ein wehrhaftes und doch flauschiges Wuscheltier mit stattlichen Reißzähnen und gütigen Augen, das sein Leben mit schlafen, ficken, fressen und kacken freudig füllen kann ohne dabei zu verzweifeln und sein Scheitern als solches zu erkennen. Dem Deutschen gelingt das nicht, ob er sich unter das Joch seines genetisch eingeschriebenen Säugerprogramms beugt, oder ob er sich diesem verweigert, die Welt wird von ihm immer als im Grunde fade und fahl wahrgenommen. Daher sind die deutschen Städte so entsetzlich häßlich und Angela Merkel ist Bundeskanzlerin, der Schmerz drängt nach aussen, aus den Gehirnen in die Welt, all das ewige Elend der Deutschen materialisiert sich so als Ding und als Subjekt, auch als eingewachsene, von Pilzen verunstaltete, horngelbe und unappetitlich knorpelige Zehennägel in Gartensandalen aus grünem Gummi oder natürlich als immaterielles Holocaustgespenst.
Was ist zu tun? Den Schulkindern sollten nicht mehr Die Leiden des jungen Werther aufoktruiert werden, weg damit – mit diesem Schmutz; die Objektleiter der Museen müssten die drakonische Direktive seitens des Kulturministeriums erhalten, die düsteren Ölschinken von Böcklin und solchen Typen abzuhängen, und diese in den Keller zu tragen; das hehre Ideal der Erziehung und der Erbauung sollte nunmehr Mario Kart für Wii sein beispielsweise, ein modernes Ideal also, ein Ideal, das das Leben und das Licht spielerisch, bewegt und farbenfroh verherrlicht; in der Rezeption leicht wie Gervais Obstgarten und dabei so überaus kathartisch und zuträglich für das unbeschwert seraphische Gemüt unserer Jugend.

A Day in the Life

Die Polizeibeamten, die im Schatten ihres Kleintransporters kugelsichere Westen anlegen, Handschuhe anziehen, um dann den Bahnsteig entlang zu patrouillieren.
Der junge Mann in der Kaufhauspassage, der in der Verkleidung eines mittelalterlichen Händlers, hinter der Theke eines antik gebeizten Holzhäuschen steht, um Lebkuchen zu verkaufen. Das Dach der Verkaufsbude hat eine dicke Schneedecke aus Kunststoffflocken, und der mutmaßlich unterbezahlte Pseudo-Knappe drückt nebenher die Tasten seines Mobiltelefones, er trägt wildlederne Stulpenstiefel, einen geschoppten Wams und einen Hut mit einer langen Feder.
In der Augenarztpraxis bekommt ein Mann seine sehr starke Sehschwäche attestiert und an seiner Kleidung wird eine gelbe Anstecknadel mit drei schwarzen Punkten befestigt, er wird dabei bald geführt, bald gestützt von einer jüngeren Frau – vielleicht seine Tochter, vielleicht seine wesentlich jüngere Gattin.
Handelt es sich also um Indizien für die Gültigkeit von speziellen Modellen, nach denen das Weltgefüge ewig abläuft, wenn man kulturhistorisch bedingte Parameter herausgerechnet, wie die Bedrohung durch Schußwaffen, die Medizin, Matrixfehler oder den Surrealismus, von Anbeginn an, oder sind es einfach nur nicht erweiterbare Unterklassen des Prinzips Großstadt?
Wie die Medien berichten, wenn ein Flugzeug abstürzt und alle Passagiere verbrennen. Es ist einerseits ein betrübliches, ein trauriges Ereignis, wenn Technik versagt und wenn Leben erlischt. Aber es lässt sich ein Modell bilden für das Leid und die Niederlage: die Flugzeuge dieser Serie hatten beispielsweise gravierende Mängel in der Konstruktion, wie herausgefunden wurde oder der Pilot war betrunken. Muss die Kontrolle der Luftfahrtgesellschaften verschärft werden, wie sicher ist das Fliegen heute, sind Fragen, die die Medien aufwerfen, um, vom uns umfangenden Tod, vom ewigen Scheitern der Technik abzulenken, das Grauen auf eine erträgliches, somit verkäufliches Maß – ein Maß an Wirklichkeit, das menschliche Handlungsfähigkeit suggeriert, herunterzuschrauben.
Die kugelsicheren Westen, als symptomatisch für die Bedrohlichkeit des kriminellen Bahnhofsmilieus, die Skrupellosigkeit und Verruchtheit des Verbrechens allgemein, als wäre mein Gehirn das Boulevardfernsehen, werden die – dem christlichen Topos Babylon zugehörigen – Bilder von im Erbrochenen Schlafenden, von fortgeworfenen Einwegspritzen, an denen geronnenes Blut haftet, von hysterischen Huren, hoffnungslosen Trinkern und im Rausch erhobenen Waffen innerlich eingeblendet.
Der historisierende Lebkuchenhandel, der den Passanten manufakturartige Produktionsmethoden und Klimakitsch vorgaukelt; Insignien eines Lügengebildes, die ich gedanklich versucht bin, mit einem Flammenwerfer auszumerzen, da sie so sehr falsch und schädlich scheinen.
Dann das Anstecken eines Emblems des Verfalls, das im Wartezimmer, unter den Augen der anderen Wartenden stattfindet; das Geführt werden, die Furcht – meine Furcht vor dem Zerfall des Gewebes, daß sich das Auge trübt konkret, ferner vor dem Eindringen von Viren und Krankheiten in den Körper – dieses verletzliche Fleischvehikel, das Ermatten der Körperfunktionen, das in Auflösung begriffene, vergessliche Gehirn; Synapsen die erlöschen, Zellen, die nicht mehr – nie mehr mit Sauerstoff versorgt werden und so fort.
Später am Nachmittag, da die Sonne hinter ein finsteres, oben eisblaues Wolkenband sinkt und sich oben kalt und schwarzblau das All wölbt, stellt sich kein plumpes Trugbild ein, aber eine diffuse Gewissheit von Wahrheit und Endlosigkeit.

Das Universum ist überfüllt mit nutzlosen Planeten und Sternen in traurigen Farben

Die Mehrzahl der Christen betrachtet die Kirche bekanntlich als spirituellen ADAC. Man sieht die Kirche als pittoreske, leicht angestaubte Institution an, deren Kernkompetenz in der Bereitstellung eines romantischen Ambientes für Hochzeiten, wie in der feierlichen Endlagerung menschlicher Gebeine liegt. Das grundlegende Problem liegt m.E. in der heutigen Selbstwahrnehmung der Kirche als Wasenmeister mit Meinungsbildungsambitionen. Zumeist sind es sehr schlechte, wenigstens apodiktische Meinungen, wie man weiß, die in den mangelhaft geheizten und finsteren Sakralimmobilien den Schäfchen in pastoraler Strenge zugeraunt werden. Wäre ich die Kirche, würde ich beispielsweise sagen, der von uns postulierte Widerspruch zwischen Evolutionstheorie und der in der Bibel beschriebenen Schöpfung ist falsch, wir haben das nochmal nachgelesen, die entsprechenden Passagen literarisch betrachtet und unsere Meinung revidiert. Unser gotteslästerliches Treiben ist uns nun sehr peinlich und wir werden Asche auf unser Haupt streuen, einigen Kirchen den roten Hahn auf’s Dach setzen oder wenigstens in Großraumdiscos mit Tabledance umwandeln. Zweifelten wir doch mit unseren Aussagen an der Größe und Unfehlbarkeit des Herrn, würde ich beschämt sagen, wäre ich die Kirche. So würde doch jeder weltliche Techniker, ein Designer oder ein Programmierer beispielsweise, danach trachten, je komplexer eine Aufgabe ist (wenn auch alle weltlichen Problemstellungen ungleich minder komplex als die Schöpfung des Lebens sind), desto mehr an Routinen, künstliche Intelligenz und Content-Management zu deligieren, da die manuelle Verstrickung in Details bekanntlich total nervt, ja eine sinnlose Sisyphosarbeit darstellt, die den Blick für den großen Plan entgleiten lässt. Das wusste der Herr schon vor x Millionen Jahren, da er eben Gott ist, Topchecker und Superuser in Personalunion. Hier die Flora, da die Fauna, zack, und alles mit selbstregulativer Technik ausgestattet, der Fähigkeit sich durch Mutation und Selektion der jeweiligen Entwicklungsstufe anzupassen, wie ein Handschuh, würde ich sagen, wäre ich die Kirche, und alle würden denken, ja, genau, jetzt fällt es uns auch wie Schuppen von den Augen.
Gestern las ich im Internet eine Liste, die prominente Mitglieder der Church of Satan aufführt, unter anderem Sammy Davis Jr. und Marc Almond. Interessant nicht? Weiters erfuhr ich durch die Wikipedia mit einiger Erheiterung, daß Mangel an Ästhetik als satanische Todsünde gilt. Ich betrachtete dies schon immer als vor allem wichtigste säkulare Verfehlung überhaupt. Ferner erheiterte mich die Maxime Wenn dich ein Gast in deinen Räumlichkeiten belästigt, behandle ihn grausam und ohne Gnade, ein Wahlspruch, den ich meine Haushälterin anwies in sämtliche Sofakissen zu sticken. Mal abgesehen davon, daß ich mir nichts aus Schafsblut, dem despektierlichen Umgang mit Jungfrauen und ähnlichem abgeschmacktem Brimborium mache, ist Satanismus m.E. lediglich ein stimmungsvolles Sujet für Paperbacks mit Goldprägebuchstaben, sowie für Filme, die auf RTL2 ausgestrahlt werden; als ernst zu nehmender spiritueller Ansatz kann dieser alberne Mummenschanz nebst schaurigem Geraune (überhaupt, die Anbetung eines Querulanten des Himmels) nicht durchgehen, zieht doch der Satanismus seine Raison d’etre direkt aus dem Christentum – der Negierung des Christentums und ist somit per se abzulehnen, da ich auch jene Menschen strikt ablehne, die sich als Antifaschisten bezeichnen oder als Vegetarier. Seine Person über das Unterlassen einer Handlung (also Negerklatschen oder Bratwurstessen) zu definieren ist armselig und deutet auf einen dürftigen Charakter hin.
Der Verzehr von Fleisch ist jedoch insofern problematisch, ja unappettlich, als das der Verbraucher stets im ungewissen ist, ob er Nahrung zu sich nimmt, die kürzlich noch von Jörg Haider beseelt war. Ich liebe also dieses höchst unhöfliche rumfuhrwerken in der Reinkarnation von Seelen nicht, einem Gentleman verbietet sich folglich der Genuss von tierischem Gewebe.

In Douglasiengehölzen

Hinter dem Fahrer schubbert eine Motorsäge über das Blech. Der Waldweg ist kurvenreich und uneben, in den Löchern steht Eiswasser. Dann wird die Luft blau vom Benzin und Metallzähne reissen eine Spanparabel aus dem Stamm und ein Kreischen in die Hügel. Doch das Material ist müde plötzlich, aus technischen Gründen; die Kette fährt rasch herum, ein Geräusch, als schlüge man mit einem Ast in ein Schlammloch. Schließlich kehrt die Stille zurück; die Braunerde ist benetzt. Es kommen die Tiere, es kommt der Schnee.

82% aller Befragten wünschen sich einen spektakulären Tod als Klimax eines abenteuerlichen Lebens. Doch das geht leider nicht. Nicht jeder kann einen Weltkrieg anzetteln oder sein Innerstes epochal auf Leinwände auftragen. Folglich breiten Rettungssanitäter meist eine Decke aus und stecken sich eine Zigarette an.

Ein kleines Häschen presst neugierig, sein von Schleim verklebtes Haupt aus der flauschigen Vagina einer liebevollen Hasenmama, die über zwei recht große, bernsteingleiche Knopfäugelein verfügt, tapst unbeholfen in eine herrlich saftige Frühlingswiese hinaus, auf der die schönsten, die allerschönsten Frühblüher ihre kessen Köpfchen dem Tage entgegenrecken und glücklich summend den labsalspendenden Sonnenglast trinken. Irisierende Tautropfen gleiten glitzernd von grünen, sehr kräftigen Blättern der durstig dunkelbraunen Scholle entgegen und in der Ferne des Frühnebels gluckert heiter ein weißer Bach über kugelrund geschliffene Steine, mündet schließlich malerisch mäandernd in einen baumbeschatteten See aus Stutenmilch, in dem Wölfe und Schwäne baden. Über allem spannt sich ein farbenfroher Regenbogen und darüber wölbt sich das Weltall, königsblau und gähnend und wenn das Weltall weint, purzeln weißglühende Sternschnuppen herab. (Disclaimer: Die Sternschnuppen sollen in Wirklichkeit keine Tränen sondern eher gefallene Engel oder so vorstellen.)

Schwarze Helikopter schwirren hektisch hin und her, wie Hummeln, die wie Helikopter wirken. Aus einer brennenden Chemiefabrik entweicht ein zäher, blasenwerfender Strom aus Hantaviren, bleichen Madeneiern und kotzeartiger Dioxinpampe.

In einem feinen Blutnebel, der die Szenerie in ein hübsches rosa Pastelllicht taucht, stehen bärtige Terroristen im Mittelgang eines Linienbusses und feuern zähnefletschend aus leichten Schnellfeuergewehren auf die Passagiere, daß die inneren Organe der Reisenden schmatzend durch die Luft flattern, als seien sie Schmetterlinge im Lenz. Europa steht unter Wasser. Alle Holländer sind tot. Aus den Schlitzen der Geldautomaten ragen rostige Aidsnadeln und Susi muß den Tennisunterricht heute sausen lassen, da der Geländewagen ihres Partners nebst zwei hochbegabten Kindern bei der Rückkehr aus dem Vogelpark Walsrode von einem Atommülltransporter, dessen Fahrer für einen Augenblick unaufmerksam war, da er eine CD von Erik Satie einzulegen wünschte, erfasst und zermalmt wurde. (Die Unfallstelle wurde vermittels Warndreieck ordnungsgemäß als solche ausgewiesen.)

Die Rückkehr der Schmarotzerhummel

Ich versuche einen Artikel über Schmarotzerhummeln zu lesen, jedoch sitzen linker Hand zwei Männer, die über die Ästhetik von Immobilien reden, über Vortstadtvillen an der Rehwiese, die in eloquenten Sätzen die Form der geschwungenen Dächer beschreiben, die der steinernen Bänder, die sich in jugendstilhafter Spannung an der Fassade entlangziehen, begleitet von vornehmen Gesten, die sich aus der frühen Lektüre von Poesie und schöngeistig motivierten Italienreisen zu speisen scheinen. Filigrane, feminine Finger, die das Feuilleton nur sanft knittern und zärtlich das schellende Telefon ertasten wie den Penis ihres Partners; die die gelb bezeichneten Haltevorrichtungen der Bahn weich und doch voller Zutrauen umschließen, bereits wenn der Waggon nur leicht krängt, die randlose Brillen, von einem dezent herbstlichen Herrenduft umschmeichelte erdfarbene Tweedjackets, Mützen gleichen Materials wie gleicher Valeurs sowie frisch gestärkte van Laack Hemden tragen, aus deren Kragen, der herbstlichen Frische wegen, gedeckt seidene Halstücher herausragen.

Zu meiner Rechten, sitzt ein Mädchen, eine junge Frau von hagerer Gestalt, ihr Haar ist so frisiert, wie es jetzt mitunter wieder Mode ist, im Stile der vierziger Jahre, recht streng zurecht gesteckt, zu einer Art geschwungenen Langhaartolle, die an die Fotografien der fürchterlichen Familienministerin gemahnt. Ihr gegenüber sitzt ein Junge, leger – er flezt, wie gesagt werden kann, auf dessen Winterjackenrücken ein stilisierter Skorpion aufgestickt ist. Er hat einen Stoffbeutel dabei, ein Werbegeschenk des deutschen Bundestages, in dem leere Flaschen klunkern. Der Junge schweigt und hört zu, gelegentlich sagt er Affirmatives, wie krass, oder uff jeden, oder er nickt, offenbar high von Haschisch. Und das Mädchen erzählt viel, pausenlos, es stürzt aus ihr hervor, trotzdem spricht sie ruhig und unaufgeregt, in kurzen Sätzen, Puzzlestücken gleich, die durch die Schwerkraft zu einem traurigen Bild zusammengerüttelt werden; die Geschichte von dem Mann beispielsweise, der der Vater ihres Kindes ist, der sie während der Schwangerschaft verließ, wegen einer anderen Frau, der heroinabhängig ist und ihr jüngst per SMS seine Rückkehr avisierte, ihr trügerisch seine wieder erwachte Liebe versicherte, um dann, beim ersten Besuch, nachdem er sie beschlief, den Computer zu stehlen und zu verschwinden. Sie ist jung, trägt ein tailliert geschnittenes Camoujäckchen, das nicht hinreichend über die Nieren geht, die kurzen Beine sind von weißen weiten Sporthosen aus Jerseystoff bekleidet und ihr schmutzig blondes Haar erscheint durch das viele Haarspray von einer Beschaffenheit wie Sandstein zu sein, so spröde, als könnte man Teile davon abbrechen.

Écriture automatique III

Kürzlich stürzte sich die Berliner Journaille, wie Hyänen in Angesicht einer halbverwesten Gazelle, auf das angeblich verstärkt auftretene Phänomen der körperlichen Übergriffe auf Busfahrer. Daß das gesellschaftliche Klima, wie man sagt, rauher werden würde, stand in allen Zeitungen, wenn nicht sogar zusätzlich zu vulgärmarxistischen, also unglaublich stumpfsinnigen Erklärungsversuchen ausgeholt wurde, oder im Rundfunk, den Opfern selbst, den Busfahrern also, Raum geboten wurde, ihre Meinung zu den erlittenen Misshandlungen zusammenzustammeln. Nun ist es ja jedem bekannt, daß es sich bei Berliner Busfahrern um sehr schlechte Menschen handelt, es ist bereits ein Klischee, man kann wohl durchaus weiter gehen und von gesellschaftlichen Schädlingen sprechen, die über Jahrzehnte das Volk schikanierten, mit einer nur den Busfahrern eigenen Form des kleinbürgerlichen Terrors, der sich vornehmlich gegen kleine Kinder, Senioren und Behinderte richtete, und schon hieran kann man leicht erkennen, wie verschlagen die Busfahrer über Jahre waren, es wohl noch sind. Mir drängt sich beim Lesen dieser verblödeten Meldungen sofort das Bild eines Gärtners auf, der Nützlinge in eine Salatkultur einsetzt, um der Schneckenplage Herr zu werden. Ein guter und natürlicher Vorgang, wie man sagen kann, durchweht ihn doch auch der Odem göttlicher Gerechtigkeit, ein wenig altestamentarisch zwar aber irgendwie voll OK. Schwangen sich die Busfahrer einst auf, das ihnen anvertraute Habitat zu dominieren, nach eigenem Gutdünken ein furchtbares Lederwestenregime zu installieren, wird ihnen nun zurecht Einhalt geboten und eine angemessene, körperliche, somit für Busfahrer deutliche Lektion in Demut zuteil. Der rabiaten Jünglinge könnte man sich schließlich, wenn die Busfahrer sich wieder in ihre angestammte Rolle als Lakaien des Volkes fügen, vermittels eines gigantischen Fußes entledigen, der aus den Wolken herabführe um alles unter sich zu zermalmen – theoretisch. In Wirklichkeit bedient sich das Weltgefüge natürlich subtilerer Mittel. Diese Rüpel, über die empört berichtet wird, werden unter dem Einfluss von Videofilmen derartig massiv mit Stumpfsinn infiltriert, daß sie einfach sehr rasch an Verblödung sterben; unweigerlich von Hirnerweichung und finalem Schlag dahingerafft werden müssen. Dies ist nun erstmalig eine These, die man als gewagt bezeichnen könnte, aber ich besuchte kürzlich eine Videothek in einem Armenviertel Berlins, seitdem halte ich sie für ziemlich plausibel, ja regelrecht stichhaltig, entwickelte die These genau genommen eins, fix, drei vor Ort, unentschlossen zwischen den Regalen herumstromernd, umgeben von kleinen, muskulösen und stark parfümierten Männern in weißen Jogginghosen. Ey, ischschwör, ein Monat habisch 72 Filme gesehen, Alter, sagte der eine Heranwachsende beispielsweise recht frank, in der Hoffnung, bei seinen kleinen Freunden mit diesem Bekenntnis Eindruck schinden zu können. Und der Mann hinter der Theke rief so durch den Laden, wohl für einen, der zum ersten Mal dort war, wohl um die Ausstellung eines Leihausweises ersucht hatte, ey, is Mustafa Vorname oder Nachname so? Hahaha, der niedere Stand rekrutiert sich aus Narren, gebiert die Narren genau genommen. (Was ich nicht weiss, bringt’s das, gehörten Soziolekt zu transkribieren? Ich bin ja schließlich nicht James Joyce.) Unentschlossen Maulaffen feilhaltend, kristallisierten sich in meiner Beobachtung die Genres Kriegsfilm, Porno und so Kampfsportstyle als am beliebtesten bei der anwesenden Klientel heraus, diese Regale waren also besonders umringt von kleinen, parfümierten, muskulösen Männern. Wieso sehen eigentlich Männer, die danach trachten, sich besonders heterosexuell zu gebärden, stets am schwulsten aus? Das Publikum mutete also an, wie ein verblödeter, schwuler Kindergarten, der mutmaßlich in feuchten Souterrainwohnungen haust und sich von Mauerwerkspilzen und kaltem Dönerfleisch ernährt weil die Mikrowelle kaputt ist. Auch verstand ich bei diesem Besuch zum ersten Mal überhaupt die Bewandtnis der Genrebezeichnung Anspruchsvoller Film, es fiel mir gewissermaßen wie Schuppen von den Augen. Es handelt sich um Filme, in denen die Handlung von Dialogen und nicht von Autoverfolgungsjagden bestimmt wird. Somit ist auch deutlich, wieso in diesen Regalen immer soviel schlechte Filme stehen, eilig zusammengeschusterte Machwerke artifizieller Prägung, also der allerschlimmste Schund überhaupt, sind doch Dialoge bekanntlich der Feind des filmischen Films. Ja, nee, ich bevorzuge selbstverständlich auch Filme, in denen Konflikte mit Schußwaffen gelöst werden, Kraftfahrzeuge explodieren, schaurige Ungeheuer auftreten und vermittels raffinierter Tricktechnik, modernen Computerprogrammen wohl, die Illusion erzeugt wird, daß durch die Einwirkung von Gewalt, Körperteile vom Rumpf der Darsteller abgetrennt und entfernt – optional auch verzehrt – werden. Allerdings muß der Film wenigstens die Oberfläche bieten, über sich hinauszuweisen. Wenn jedoch eine Panzermine nur eine Panzermine ist, durch die Luft geschleudertes Sperma nur durch die Luft geschleudertes Sperma ist, muß der Betrachter, wie gesagt, unweigerlich an Verblödung sterben. Das gilt aber auch für die armseligen Cretins, die ernsthaft das Feuilleton der FAZ lesen oder im Fernsehen Talkshows betrachten, in denen Volker Kauder und Oskar Lafontaine fettärschig in den roten oder orangen Sesseln der Fernsehanstalten herumsitzen und Standpunkte vertreten; beim Betrachten sterben sofort Gehirnzellen ab – umgehend und irreversibel leider.
Ich lieh übrigens schließlich die Spielfilm-DVD Iron Man aus; die erste dreiviertel Stunde war voll scheiße und voll langweilig auch, dieses umständliche und amerikanisierte, somit stumpfsinnige Golem-Motiv, dann aber richtig geile Effekte so, dem Zuschauer wurde quasi Einblick in die Arbeitsräume eines Superhelden gewährt, der mit dem Design seiner selbst beschäftigt war. Diese Szenen bestachen sehr.

Erster Entwurf für eine Architektur gegen den Menschen

Es sollte ein Labyrinth gebaut werden im Stile der Hecken-Irrgärten vergangener Jahrhunderte, von bislang unbekannter, also gigantischer Größe. Die Wege wären von meterhohen, schwarzen Stahlbetonsegmenten begrenzt, welche sich im Boden versenken oder emporfahren ließen und verliefen ohne deutliches Muster. Den bestehenden Lösungsregeln für komplexe Irrwegesysteme oder GPS entzöge sich das Labyrinth natürlich, da sich die Wände, einem raffiniertem Algorithmus folgend, hinter den Menschen öffneten oder schlössen. Es gäbe kein Entrinnen für den planvoll Handelnden, nur wer seinem Willen entsagte, sich dem Chaos hingäbe, fände früher oder später wieder aus dem Irrgarten heraus, wie behauptet werden würde. Gäbe es im Inneren eine Gaststätte, würden dort auf Fragen nach dem Weg nur kesse Antworten gegeben, die Bediensteten wüssten es ja selbst nicht. Bestellte der Gast eine Tasse Kaffee, so bekäme er beispielsweise eine Flasche Limonade. Spräche ein Gast vom Universum, so täte der Angesprochene so, als ginge es um die Zwergenmumie von Wyoming. Eine Gaststätte wäre hier kein Ort des Schutzes oder der Behaglichkeit, sondern ein Ort der besonderen Verzweiflung, weit entfernt von den Ränder des Irrgartens aber natürlich nicht in seiner Mitte.