Hightatras

Unser Frieden heißt Krieg

Die Stimme des Vorsitzenden schallt von draussen herein, er spricht vom Hauptaggressor Amerika und seinem Vasall Israel. Die Ansprache wird zur vollen Stunde wiederholt werden. Ich bin mit einer dampfenden Tasse Schwarztee an die Fensterfront der Einraumwohnung herangetreten und blicke hinab auf die verschneite Siedlung Ganymed. Alle Balkone sind zum Kraftwerk ausgerichtet. Die Lokomotive pfeift zur Weiterfahrt. Der Bahnhof liegt bald neunhundert Saschen entfernt, auf halb drei, im Walde. Es ist fünf Uhr sechsundzwanzig, die Bewohner kehren zurück aus den Raketenwerken. Die Strasse zu den Hochhäusern ist von geneigten Laternenpfählen aus Beton gesäumt. Grünblaues Licht von Quecksilberdampflampen. Das Thermometer steht auf minus neunzehn Grad und fällt. Zwei Stunden Sonne täglich. Aus Lautsprechern verliest eine computergenerierte weibliche Stimme die Zeit, alternierend deutsch und chinesisch. Arbeiter der Hand und Arbeiter des Geistes, zu Fuß vordringend, oder rittlings auf Motorschlitten. Rund und neapelgelb steht die Sonne zur blauen Stunde über dem kieferrauhen Horizont der Taiga und die Kühlturmfahnen sind knotig fest und von bleiernem lachsrosa. Männer treten sich die pudschweren Stiefel ab, speien gelbgrauen Auswurf ins frostkrachende Unterholz und fluchen dabei leise. Einer macht einen Witz, man blickt über die Schulter und lacht verhalten. Im Foyer des Hochhauses steht eine Voliere mit Buntspechten – ein Beitrag des Kulturbundes. Einige kleinformatige suprematische Bilder hängen dort und eine collagierte Wandzeitung: Deutsch-Chinesische Raketen im Weltall – Sieg über den Raum! Der Sichtbeton glänzt vom Fett der Menschenhände. Auf die Aufzüge Wartende mit spitz geschnitzten Nasen; es soll Reiskocher geben in Gomel, schwere Verluste hätten sich ereignet in den benachbarten Siedlungen Io und Europa; auch Verwandte seien gefallen im Friedenskampf. Schmutzige Pfützen, mit Koyotenfell verbrämte Anoraks aus Wolpryla, Diesel, Schweiß und gekochte Wurst.

Auf einer grauen Filzdecke zu meinen Füßen liegt ein zahmer Schneefuchs, den ich bei einem Gang im Wäldchen fand, verletzt, mit einem Projektil im hinteren linken Lauf. Er ist genügsam und wortkarg, doch wende ich mich an ihn, so zeigt er sich beschlagen, namentlich die verbotene Literatur betreffend. Seine Stimme ist sanft und er spricht ruhig zu mir, in geschliffenen Hexametern. Ich entfernte das Projektil mit einem schartigen Jagdmesser und reinigte die Wunde mit Wodka. Sein Fell ist grau, da der Schnee grau ist.

Die Kassiererin trägt resedafarbene Thermostiefel aus Kunststoff und eine Schürze, die mit stilisierten Luftschiffen und Unterseebooten bedruckt ist. Sie stempelt meinen Bezugsschein für Morphium. Als vier Millizionäre in Reitstiefeln den Konsum betreten und laut husten senkt sie den Blick. An ihrem Kinn wächst ein Leberfleck, aus dem vereinzelt schwarze und weiße Haare sprießen. Mannshohe Pyramiden aus Konservendosen: Natierka, baltischer Seefisch und Hundefleisch.
Draussen fährt ein Konvoi der Armee vorrüber und graue Transporter der Geheimpolizei. In der Nase gefriert der Atem. Die nächtlich verschneite Musikmuschel und eine Kegelbahn, übersät von zerschlagenen Wodkaflaschen.

Später erwacht er, als hätte ich mich mit eigenen Armen dorthin getragen, in schützendem Unterholz, eingemummelt in ein behaglich klammes Bett aus Moos und vergehendem Blattwerk. Vor seinem erwachenden Auge war ein recht großer Steinpilz aus dem aromatischen Waldboden geploppt, an dessen gespanntem Stiel und auch im Schutze des feuchtglänzenden Hutes sich ein weiterer, bei weitem kleinerer Pilz gleicher Rasse und von zartem braun energisch anschmiegt. Trotzdem der andere wohl einige Stunden geschlafen hatte, ist ihm nicht recht wohl; es scheint, als kröchen Wanzen unter seiner Haut. Und der Hut des Pilzes scheint ihm zu oszillieren, bald so, als würde er aus unsichtbarem Gefäss von morbidem grün übergossen, bald innerlich von brombeerfarbenen Valeurs matt durchglimmt. Auch wird er für einen Augenblick von der chimärenhaften Vorstellung eingenommen, in seinem Rücken steckte ein wie toll jaulender Schneefuchs. Ich erwache schließlich durch den Klagegesang der Sirenen. Erneut Überfliegungen durch nuklearbetriebene Schwebepanzer in höchsten Höhen. Mit der silbernen Präzision reinigenden Feuers schneiden unsere Flaktürme einige der unheilvollen Wanzen aus mattschwarzem Titan vom Firmament, die glühend, flitternden Herbstblätter gleich, hinabtaumeln, dann hinabschießen und tief im Podsolboden vergehen.
Um wieder schlafen zu können, ziehe ich mir eine weitere Ampulle Morphium auf.

Die A

Die A bewohnt eine Einliegerwohnung unter dem Dach, deren Nutzfläche fünfundachtzig Quadratmeter beträgt. An schönen Semptembertagen etwa, wenn sich der Himmel makellos hellblau und recht freundlich über der stattlichen Alpenkulisse präsentiert, man allenthalben den Wanderschuh schnürt und ein milder Wind von Italien her geht, verlasse die A ihre Wohnung nicht, wohl aus Prinzip und psychischer Disposition, und halte die Fenster fest geschlossen, ferner seien die Vorhänge zugezogen – darin läge wohl auch maßgeblich ihr fahler Teint begründet. Man höre sie kaum gehen in ihren Räumen; die A gleicht einem Hausgeist oder einem scheuen Waschbären lässt sich dem entnehmen, was über A gesagt wird.

Eines Abends, da die Wipfel der Tannen schwarz und unruhig vor dem Fenster wogten, gewahrte ich durch die angelehnte Stubentüre, wie ein mit einem Damenschuh in Trachtenoptik bekleideter Fuß vorsichtig tastend und – aufgrund von nachttierhafter Routine – bar jeglichen Knackens auf die vom Dachgeschoss steil herabführende Treppe aus Eibenholz gesetzt wurde. Der Spann des Schuhs war mit einer schön ziselierten Silberspange besetzt, soweit im Zwielicht und bei allem Willen zur Wahrung der Intimsphäre erkennbar war; der Fuß gehörte zweifelsfrei der A – wie sich unschwer schließen und kurze Zeit später auch beobachten ließ – die auf Vollgummisohlen weitgehend lautlos durch das Vorhaus in Richtung Garage schwebte, kalkweiss geschminkt und angetan mit einem burgunderfarbenen Dirndl, ihrem Ruf gemäß twinpeaksartig und somnambul. Es seien stets jene nasskalten Nächte, wie es diese Nacht ist, die von flatschig herniedergehendem Schneeregen bestimmt ist, die die A nutze, um mit ihrem japanischen Kleinwagen auszufahren, der – bei Tage besehen – in der Farbe geronnenen Ochsenblutes lackiert ist. Zudem mit unbestimmten Fahrtziel, wie man mutmaßt und mit gedämpfter Stimme auch gegenüber Dritten äussert. Über Bergstraßen, auf denen oft Sichtweiten unter fünfzig Metern herrschen, wie anzunehmen ist, führe die A; auch auf Straßen, deren Asphaltdecken nicht selten bereits vor Allerheiligen mit einer filmartigen Eisschicht im Mikrometerbereich überzogen sind – wenn nicht gar auf Forststraßen, mittels Betonröhren von frischen Bächlein unterquert, die sich, trotz aller Unwirtlichkeit in Form von Totholz und Dornengespinsten, dieser ganzen vermoosten und finsteren Feindlichkeit der von Murengerümpel völlig verstellten Wildnis, munter sprudelnd Bahn gen schwarzes Meer brechen.
Das schwere Gravitationsmonster aus Stein gebiert menschgemachte Schwere, die Gemütlichkeit vorstellt: also moosgrüne, eigentlich schwarzbraune Kachelöfen, schmiedeeiserne Ampeln, dunkelgebeizte Kästen und Tramdecken, Schnitzwerk, Irdenes, Wollenes, Sammelteller als Träger von Illustrationen, die Waidwerk und fanatisches Bergbauerntum verherrlichen, rehbraune Polster mit alpenländischer Stickarbeit reichlich verziert und einhundert Trophäenbretter mit angenageltem Geweih. Ein uriges Stocknageluniversum, begeistert von einer Million untoter Bambischädel, deren Seelen wohl in Elfriede Jelinek reinkarnierten.

Als ich einmal ein Lebensmittelgeschäft verließ – kein Plastiksackerl zur Hand – folglich die Arme voller Brot und Fett, standen vor dem bleigrauen Schneehimmel plötzlich schwarze Helikopter des Bundesheeres, fix und stoisch zugleich wie diese Vietnambrummer.

Die A hat jedenfalls alle, in ihrer als möbliert vermieteten Wohnung enthaltenen, Kästen und Polster in die Garage schaffen lassen, und durch neue Möbel ersetzen lassen. Moderne Möbel, bei deren Verarbeitung Leichtmetall, helle Buchenfurniere und ornamental mattiertes Glas Verwendung fanden. Man sagt, ihre Wohnung sei nun nach Feng-Shui-Prinzipien eingerichtet, die A sei eine Verfechterin des Feng-Shui-Prinzips und zudem überaus sensibel gegenüber Strahlungen und so. Führe sie mit ihrem Auto an einem der Häuser unten in der Kurve vorbei, so J über A, spüre sie das Unheil, das dort herrsche, wie sich ein dräuendes Unwetter in juckendem Narbengewebe bemerkbar macht. Hinter den Türen lege man dort Kälbern eine Kette um ein Hinterbein, zöge sie zwei Meter hoch in die Luft und schnitte ihnen, unempfänglich für die flehenden, hübsch bewimperten Augen, die Kehle durch. Der Dechant sei gekommen, als das Schlachthaus eröffnet wurde und habe das Haus und die Fleischhauer gesegnet.

Der Mensch selbst stirbt in der Regel wegen Schnellfahrens oder weil beim Abschruppen eines von Flugrost befallenen Balkonkastenhalters die Scheibe des Winkelschleifers birst und einzelne Werkzeugfragmente durch die Schädelplatte hindurch direkt in das Gehirn eindringen, das die Erben später mit dem Kärcher beigehen müssen. Man kann das alles in den Zeitungen nachlesen. Oder auf geschnitzten Schildern am Wegrand, die über vergilbte Männer berichten, die unglücklich auf Schneebretter traten oder bei der Gamsjagd durch spontane menschliche Selbstentzündung ehrenhaft vergingen.

Herr No unternimmt eine Bootspartie (Behelfsüberschrift)

Dies sei sein täglicher Weg zur Arbeit, sagt ein Mann und weist vage in eine Richtung, in der eine Straße zwischen Hochhäusern und Supermärkten recht geradlinig und mehrspurig verläuft. Es sei eine schöne Gewohnheit dort entlangzufahren, mit dem Auto, auch wenn die morgendliche Fahrt durch ungünstige Ampelphasen getrübt werde, so der Mann. Die Fassaden der Häuser sind akzeptabel renoviert, vorwiegend in vitalen Buntfarben. Durch die Vielzahl der Supermärkte und Tankstellen entsteht eine gesunde Konkurrenz, von der der Verbraucher im Endeffekt nur profitiert. Da und dort einen geeigneten Parkplatz zu finden sei beschwerlich. In einem Urlaubshotel sei lauwarmes Essen serviert worden; an einem anderen Ort seien hingegen die Speisen befriedigend gewesen, also schmackhaft, wohltemperiert und reichlich, auch liebevoll angerichtet und vergleichsweise preiswert, sagt man. Geplant ist eine Fahrt mit einem historischen Ausflugsdampfer, wie dem Gespräch, das der Mann mit einer neben ihm sitzenden Frau führt, zu entnehmen ist. Der Spätsommer sei eine Herausforderung an die Menschen, die geeignete Kleidung zu wählen, morgens, vor dem Dienst, so die Frau. Ist man in der Septemberfrühe, deren Luft mitunter schon herbstlich frisch ist, recht gekleidet, so transpiriere man in den noch sonnenreichen Mittagsstunden und umgekehrt. Er setze auf das sogenannte Zwiebelprinzip, erwidert der Mann munter und zupft leicht an einem braun, violett und weiß gestreiften Feinstrickpullunder. Die übrigen, den Leib des Mannes umhüllenden, Textilschichten bestehen aus einem resedafarbenen Hemd, sowie einer erbspüreefarbenen Übergangsjacke.

Die Zeit strömt, durch Geburten, Todesfälle und Ähnliches nur notdürftig strukturiert vorüber. Dem, der nicht dem Äther folgt, bietet ein ebener Parcours von schönen oder nützlichen Körpern aus Metall, Stein, Fleisch, Kunststoff oder Glas eine gewisse Führung, wie eine intelligente Flipperkugel, die, aus sinnvollen und kybernetischen Gründen, um eine ruhige, also an Wendepunkten arme Laufbahn bemüht ist. Freudiges Aufgehen in einfältiger Istigkeit oder das erhabene Verheddern in elfenbeintürmischer Metaschwuchtelei scheinen mir zwei wesentliche Abgründe menschlicher Gratwanderung zu sein.

Der Sommer sei nun vorbei, sagt eine Frau. Sie sitzt in einer, von einem Ölradiator übermäßig geheizten, Gaststube eines Bootsverleihs auf einem weißen, von Posamenten verzierten Kunstfaserkissen auf einem Küchenstuhl. Man kann Würste mit Mostricht kaufen und Kindlbierflaschen. Sie trägt eine formlose Strickjacke und ist die Betreiberin des Bootsverleihs. Auch krieche die Feuchtigkeit vom See hinauf, sagt sie – wohl in die Knochen, denke ich – und sie deutet auf einen Bilderrahmen an der getäfelten Wand, dessen Passepartout sich leicht wellt, als Indiz. Es ist die gerahmte Photographie eines weißen Riesenpudels mit ordentlich parallel ausgerichteten Vorderpfoten, der, als er noch lebte, auf dem gleichen, floral gemusterten Fußbodenbelag lag, auf dem ich jetzt stehe um ein Ruderboot zu leihen und der ausgetreten ist, da jeder, der ein Ruderboot zu leihen wünscht, hier stand und einst stehen wird. Die Einrichtung ist vergilbt aber abwischbar und es riecht nach gepflegtem Verfall. Auf dem Wasser des Sees schwimmen Blesshühner, die melancholische Geräusche machen und verletzlich wirkende Schwimmerköpfe. Nach der einstündigen Ausfahrt habe ich mehrere Blasen an den Händen.

Auf dem Balkon

Meiner Stadtwohnung ist ein Balkon vorgelagert, der sich nach Westen öffnet. Eine Brüstung aus nach oben abgerundetem Beton, scheidet den Hinaustretenden, in die Spätsommersonne Blinzelnden von der Tiefe. Noch vor wenigen Tagen war die brusthohe Brüstung noch nachts handwarm von der tags gespeicherten Sonne, daß sich der Rücken an den nackten Beton legen und behutsam gen Abgrund überdehnen ließ, bis es zart knackte. Das Wasser sinkt zurück, bald gelb, bald rotbraun schleicht sich der Verfall in die Decke der Baumkronen. Und an einem Nachmittag, als ich auf dem Balkon in einem Stuhl sitze, an einem Tisch aus Holz und eine Madeleine in eine vornehme Kaffeetasse tauche, hebt hinter der Brüstung – die, so sitzend, das Blickfeld des Sitzenden zu einem stillen, aber nicht stillstehenden Panoramarechteck aus von Wolken überschliertem und von glühenden Flugzeugparabeln durchschnittenem Cyan ebenso verengt wie erweitert – ein Getöse an, der anschwellende Gesang von Martinshörnern zunächst, dann das hastige Geräusch von Stiefelabsätzen und knappe, so wohl als professionell geltende, einem wohl berufsintern geltendem ungeschriebenen Code gemäße, barsch ausgestoßene Kommandos. Auf dem Parkplatz stehen Männer, angetan mit mutmaßlich schwer entflammbaren Uniformen, die sich routiniert himmelblaue Gummihandschuhe überstreifen. Über einhundert Balkonbrüstungen lehnen Schaulustige; die Köpfe schießen gleichsam pilzgleich hervor, um sodann, sich der Schwere hingebend, stier blickend gen Geschehen zu sinken. Der Ausleger eines zwischenzeitlich in Positur gebrachten Leiterwagens, an dessen Ende ein – ein bis zwei Feuerwehrmännern fassender – Korb aus Leichtmetall befestigt ist, auf dessen Seitengestänge eine reinlich weiß bezogene Bahre in ein offenbar raffiniertes Bajonettsystem eingeklinkt wurde, ruckt, einem sedierten Roboter nicht unähnlich, zögerlich, doch zweifelsohne zielgewiss gegen ein Wohnungsfenster im ersten Stock. Man weiß nicht was vorgefallen ist tuschelt man, das Leben ist von Anonymität geprägt so die Nachbarn – sinngemäß – und die Stimmen verebben, als nach einiger Zeit eine fahle, partiell von blauschwarzen Malen gezeichnte Frau, auf mechanischem Luftbett zur asphaltüberzogenen Erde schwebt; als ein abstraktes Fleisch sanft in die Gummihände von Sanitätern fällt und jäh ein Strahl Regensonne in ihr starres Gesicht fährt. Der Blick aus den eintausend Augen nach unten, ihr Blick, so sie denn blickt, nach oben; ein Bild für irgendetwas, das sich da und dort einbrennt in Hirnmasse. Und ich halte ein Süßgebäck in der linken Hand, halb hinter der Brüstung, als wäre es ein Glas Burgunder in dem Erdbeeren schwimmen.

Herr No wird sich zu Stein am Rhein vorerst nicht äussern

Es ist gleichsam ein kulturgeschichtliches Terrarium, dieses Gebäude an einem Unort, ein potemkinsches Alpendorf unter einem Glassturz. Gastronomische Betriebe, die einen künstlichen Dorfplatz säumen, vor denen Stühle stehen, gleichzeitig drinnen wie draussen, für die Fremden. Romantische Geschäfte in denen urige Agrargüter angeboten werden, wie Schinken, der pittoresk von der Tramdecke baumelt und Wein, Pizza, Espresso, aber auch Benzin, Kaugummis, Almdudler solche Waren eben. Schaurig stier blickende Bauernpuppen stehen hinter den Fenstern der Obergeschosse ohne Tiefe, Geranien aus Kunststoff, falsches Kamingeflacker, Sensen, Heuballen und zahlreiche weitere Requisiten dieser Art. Als ich die Treppe hinabsteige, zu den Toiletten, eröffnet sich vor mir eine weite aber niedrige Halle, ähnlich wie in einem Bunker vielleicht, senffarben gestrichener Beton und verschiedene Metalltüren in unterschiedlichen Bunttönen, ein Leitsystem wohl, das mich nicht leitet. Schräg vor mir geht eine kleine Frau mit einem schweren Hüftschaden die Treppe hinunter und mit jedem Schritt wogt ihr Leiden durch den ganzen Körper. Ich möchte jetzt nicht behaupten, daß ihr behinderter Leib lange Schatten auf die Betonwand warf, aber so ähnlich. Ein österreichischer Keller, der sich schnaufend und schnell schließende Schiebetüren aus Stahl erahnen lässt und Videoaugen und andere krasse Psychoscheiße. Eine lange Flucht von Toiletten, wohl bald an zwanzig Einzelkabinen zur Defäkation, vis-à-vis eine Wand aus Spiegeln und alle weiteren Flächen sind mit anthrazitfarbenem Naturstein verkleidet, der die wohl überreichlich vorhandenen Innereien aus Steuer- und Regeltechnik gegenüber dem Menschen abschließt. Nach dem Hände waschen ist der Gast gehalten seine noch tropfnassen Hände in eine der schwarzen Mösen aus Plastik einzuführen, die in die Wand eingelassen sind und in denen es bei Annäherung erheblich zischt und braust; Glory Holes mit direktem Zugang zur Hölle, tatsächlich negative Hochdruckreiniger also Sauger, die auch auf Antimaterie und Orgonenergie basieren mutmaßlich. Vorher, an einem anderen Ort, las ich mir ein Schild über Pilzrecht durch und verzehrte zeitgleich ein Sahneeis am Stiel, welches von einem tropischen Fruchtsorbet ummantelt war, dabei lachte ohne Unterlass die Sonne und droben am Berg kalbte die Pasterze. Später, hinter den Tunnels und Pässen wuschelten die Bäume hinter den Lärmschutzwänden ihre Kronen wie Cheerleader ihre Pompondinger, also hysterisch und etwas aufreizend und der Himmel verfärbte sich in einer Weise tintig schwarz, die als Indiz aufgefasst werden konnte; ferner lagen einige Seen ganz selbstverständlich in die Topografie eingebettet vor, wie Laubsägearbeiten in glühender Bronze, da zudem die Nacht hereinbrach und so die späten Strahlen in spitzem Winkel reflektiert wurden. Sand in der Luft, Alpensand, ein feiner Grieß im Auge, den der Westwind dorthin plazierte; auch ein Plastiksackerl aus Polypropylen war zu beobachten, das sich zunächst gravitätisch tänzelnd emporschraubte, dort mit einem knispligen Plopp entfaltet und mit Aplomb aufgebläht wurde um rasante Fahrt durch die Lüfte aufzunehmen, begleitet von Ästen, Blättern und Papieren, die die Passanten fortwarfen. Ein Unwetter also, mit Toten und Verletzten und Sachschäden in Millionenhöhe. Schließlich ein Fall für die Versicherungen und Rückversicherungen. (Natürlich waren auch taubeneigroße Hagelkörner an der gespenstischen Szenerie beteiligt.) Ich besichtigte zuvor ein Haus in höchsten Höhen, da ich ein Haus zu kaufen beabsichtige; ein Anwesen, das ich einer Mischnutzung aus adalbertstifterscher Bergidylle und grimmiger Alpenfestung zuzuführen gedenke; von dem ich nicht zur Schwarzwildjagd ausreiten werde, wie es früher der Hammerherr tat, noch werde ich eine Frau zum Weib nehmen, die des Jodelns mächtig ist. Reichte man mir zum Vertragsabschluss ausgelassen ein Glas Schaumwein, tränke ich die Flöte nur aus Gründen der Etikette leer, da ich mir nichts aus moussierenden Weinen mache, wie Sie wissen müssen. So ist es mein. Im Fernseher wird gezeigt, wie die Polizei mit unbekannten Leichen verfährt; sie nimmt die leblosen Leiber mit in ihre unterirdischen Polizeilaboratorien, schneidet sie mit Messern auf und dann finden Wissenschaftler heraus, welche Umweltgifte in den Innereien der Opfer vorliegen, die bleihaltigen Antiklopfmittel aus Kraftstoffen seien ein Anhaltspunkt, wie man sagt. Es handelt sich um die und die Chemikalie, also kommt das Opfer da und da her, meist aus dem Ausland oder aus Russland, wie der Beitrag durchblicken lässt. Die Liegenschaft wird byronisch bewirtschaftet werden, man wird am Flügel stehend Kunstlieder singen und im von Stirnlampen durchschnittenen Morgennebel die mit Unschlitt eingeriebenen Wanderstiefel aus Kernleder binden um verbliebene alpine Probleme zu lösen. Wäre ich Schriftsteller, schriebe ich hier zwei bis drei Jahrhundertromane, würde aber bei der Arbeit manchmal schludern und oft dösend aus dem Fenster blicken zu den Gipfelkreuzen hinauf und dem sattgrünen Tann im Tale oder einfach Playstation zocken. Post Mortem führte man literaturbeflissene Touristen durch das Objekt – in Pantoffeln. Und eine lispelnde lesbische Literaturwissenschaftlerin, die sich durch derlei Führungen einen schmalen Salär verdiente, herrschte zierliche Japanerinnen an, die den Versuch wagten, mit den kleinen Fingerchen heimlich über die schartige Oberfläche des wuchtigen und ungemein charaktervollen Schreibtisches aus geflammter Eiche zu streichen.

Neues aus den Ostgebieten

Plötzlich erscheinen drei Menschen und packen einen älteren Mann recht barsch am Arm. Wahrscheinlich habe ich aber nur nicht so richtig hingesehen zunächst, da ich, an einer S-Bahnstation wartend, etwa Schwalbensilhouetten am Abendhimmel beobachtete oder auf den Po eines vorbeigehenden Mädchens blickte. Er möge sich ausweisen sagt der das Trio wohl leitende und das Wort führende Mann und zeigt seinerseits nachlässig eine Ausweiskarte vor auf Hüfthöhe, die ihn mutmaßlich nach außen als Zivilfahnder bezeichnet. Das Ziel des Zugriffs ist ein kleiner Mann mit schiefgelaufenen Schuhen, gelbgrau zurechtpomadiertem Haupthaar und einer braunmelierten Hornbrille, dem man nun wortlos die Umhängetasche von den Schultern zerrt und den Inhalt rasch auf den staubigen Boden des Bahnsteigs entleert. Dabei mit spitzen Fingern ganz gewöhnliche Dinge, wie eine Brille, einen Schlüsselbund, leere Bierflaschen oder eine Zeitung, mit einer, für mich als Beobachter ungeheuerlichen, Na-was-haben-wir-denn-da-Miene anhebend, als müsse sich der Besitzer dafür rechtfertigen, was dieser jedoch leider auch macht. Man handele aufgrund eines Anrufes, verschiedener Hinweise aus dem Volk, erläutert der leitende Fahnder, man habe ihn, den Mann mit der Umhängetasche, beobachtet, wohl hinter der Gardine stehend, denke ich, wie er Bierflaschen austrank, wie er dann im Gras lag, am Bahndamm, unweit der Kanalbrücke und schlief, in der Sonne, anschließend auf dem Bürgersteig auf und ab ging, hatten Bürger ihre Beobachtungen der Polizei geschildert, so der Fahnder. Es sei ein Verdachtsmoment entstanden, da und da abgestellte Kraftfahrzeuge betreffend, so der Fahnder zu dem vermeintlich Verdächtigen, der aufgehalten wird, dessen Habe auf dem Boden verstreut liegt, der harmlos ist, wie ich denke und wie ich weiter denke handelt es sich nicht einmal um einen Anfangsverdacht, der eine Taschenkontrolle überhaupt rechtfertigen würde, sind doch Bier trinken, schlafen, auf und abgehen übliche Beschäftigungen von Menschen somit mitnichten justiziabel im Sinne einer gesetzlichen Ordnung jenseits von Kaiser Wilhelm, Adolf Hitler und Erich Honecker. Daß ich plötzlich in eine Situation geworfen werde, denke ich, die die eines Voyeurs ist, der durch den Spion seiner Türe beobachtet, wie Schergen in Ledermänteln und Reitstiefeln bei einer anderen Mietpartei grimmig schellen um exekutiv tätig zu werden. Und wie das Trio Eindruck schindend und sich in die Brust werfend dasteht, den vermeintlich Verdächtigen bedrängt, der nicht daran denkt Widerstand zu leisten, alle an ihn gerichteten Fragen, eingeschüchtert, wie ein Untertan, der er ja offensichtlich auch ist, beantwortet, obwohl er sie nicht beantworten müsste, wie mir gewiss ist. Es ist ein Unrecht das geschieht, ich handle nicht, auch weil meine Bahn einfährt, wie ich mir später, als fadenscheinige Entschuldigung vor mir selbst zurechtlege. Die Situation gemahnt an eine Jagdszene von kleineren Raubtieren, die ein ihren Kräften gemäßes Opfer ausbaldowerten, Frettchen etwa, die eine flügellahme Amsel gestellt haben, sich in der Überzahl wissend, ferner wissend, daß das Opfer ein geschwächtes ist, somit nicht aufflattern kann beispielsweise oder fortspringen, und dennoch ohne Unterlass sichernde und schele Seitenblicke werfend, während sie ihre hektischen Zähnchen in das Fleisch schlagen, ob nicht ein größeres, einen in der Nahrungskette übergeordneten Rang bekleidendes, Raubtier erscheint und sich die bestehenden Kräfteverhältnisse ungünstig entwickeln. Und alle tragen Kapuzenshirts, wie in diesen Reportagen im Privatfernsehen, das aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmende Menschen vornehmlich mit diesem sportiven Kleidungsstück angetan abbildet: das Kapuzenshirt ist quasi der Rokokopantoffel des 21. Jahrhunderts. Mit Drogenproblemen behaftete Problemjugendliche aus Problemkiezen mit Problemhunden sowie auf Problemjugendliche kaprizierte Geheimpolizisten, Leistungssportler, Kleingärtner, Raver und Geländewagenfahrer aus Westend. Die Situationen, in denen sich die Menschen in sozialer Interaktion befinden, sind stets stereotyp und lassen sich meist auf einige wenige triebbedingte Säugetiermechanismen reduzieren, wie beispielsweise dominante Revierverteidigung und körperlich oder geistig ausgetragener Kampf um die Weibchen mit den besten Erbanlagen. Fraglich ist, ob die äußeren Formen der Klischees aus der Realität in den Fernseher wandern, oder ob die Klischees dort entstehen und in die Gesellschaft ausgestrahlt werden, wie diese Fernsehseriendialoge, die in meinem Rücken, in den Schlangen vor den Supermarktkassen geführt werden, von Menschen, die ihr Leben bei Schweinefleisch und Colamischgetränken in zitronenfaltergelb gestrichenen Blähbetonsteinhäusern in Toskanaoptik fristen.

Huren, Wein und die Filets der besten Tiere für alle

Ein von minderwertigem Wein trunkener Mann, der durch den Kot der schummrigen Gassen ins Badehaus stolpert um dort zotige Lieder zu singen und ein Weib zu schwängern, zürnt natürlich zugleich dem Klerus, der sich, wie man sagt, nach oppulentem Prälatenessen im Bordell vergnügt. Je verkommener ein altes Regime ist, desto dämlicher sind scheinbar auch jene, die sich anschicken, es zu reformieren oder gar hinwegzufegen. Das pervertierte Papsttum des Spätmittelalters brachte immerhin Martin Luther oder Thomas Müntzer hervor; Wirtschaft und Politik heute gebiert lediglich lächerliche Kritiker wie die Linkspartei beispielsweise oder Attac, als würde der Ladeluke eines havarierten Supertankers ein geistig behindertes Schaf entschlüpfen.

Man sagte, sie predigen Wasser und trinken Wein, mit der Intention selber Wein trinken zu wollen, und zwar nur von den Trauben höchster Qualität. Man sagt, wir zahlen nicht für eure Krise, mit der Intention, in der Hausse an den Erträgen der hasardeurhaften Wirtschaft teilhaben zu wollen, jedoch in krisenhafter Zeit zu greinen ob der Vertreibung aus dem Warenparadies und sich mit barlachschen Mienen die Nasen an den Scheiben der besten Geschäfte platt zu drücken. Man trinkt gierig und in großen Mengen sehr billigen Kaffee, man verzehrt Rindfleisch und vitaminreiche Südfrüchte, man trägt modische Sportschuhe sowie in fernen Ländern, von Ausländern verfertigte Oberbekleidung, man weist aber, mit vor Erregung zitterndem Zeigefinger, anklagend auf die Mönche, Minister und Manager da oben, da man ihnen den besseren Hebel neidet, die Welt der Neger und Bauern auszubeuten.

Blicke ich in den – im Fernseher abgebildeten – Saal des Bundestages und höre und sehe mir an, was die Politiker zu einem beliebigen Thema sagen, so würde ich mich aus inhaltlichen, ästhetischen wie auch rhetorischen Gründen endgültig mit Grauen abwenden, wenn sich nicht mit mir der geifernde Pöbel abwendete vom Parlamentarismus. Ich bin versucht, wie ein Lehrer überall Logik?, Stil? und Falsch! an den Rand zu schreiben und überhaupt alles mit einem roten Stift vollzukrakeln was dumm ist.

Die Opposition innerhalb und ausserhalb der Herrschaftshäuser, die das Volk zu integrieren vermag, ist – ich wiederhole mich – stets noch geistloser als es die vorherigen Machthaber waren.

Liest man die auf Papier gedruckten Zeitungen, so stehen dort die Agenturmeldungen von gestern darinnen; liest man die digitalen Zeitungen, so tropft das Blut in die Gosse und prominente Partyluder öffnen ihre Schenkel; liest man jene Blogs, die für sich eine Führungsposition, einen quasi journalistischen Anspruch im selbstgeschaffenen Untergrund-Sandkasten proklamieren, so stehen diese, da sie in der Reaktion auf existierende Probleme keine eigenen Ideen zu formulieren im Stande sind, aber auch keine neuen Themen zu lancieren wissen, als narrenhafte, vor allem unverzehrbare und parasitäre letzte Glieder in der medialen Nahrungskette da.

Die Sintflut ist der Hochdruckreiniger des Herrn

Vermittels Präparaten und Arbeitstechniken, die mir angeboten wurden, ist es mir gelungen, meine Penislänge um 20% zu vergrößern, meine Potenz gar um 85% zu steigern. So komme ich seit Stunden nicht, und Damenbesuch kommt überhaupt nicht. Käme er, so sähe ich ihn frühzeitig auf dem Monitor meiner lichtstarken Überwachungskamera an der Türe und schwebte mit dem gasdruckgefederten Barhocker, den ich einst in führenden Designerhotels bewunderte, lautlos auf und nieder, als Zeichen meiner Freude. Was nützen einem Mann rautenförmige Pillen in bleu und Photographien, die devot oder dämlich dreinblickende Frauen in reizender Unterwäsche und mit Hundehalsbändern bekleidet vorstellen, wenn die Welt, wie man den Massenmedien entnehmen muss, ohnehin verrottet ist bis zum Kern, sich insgesamt nicht den Anforderungen und Bedürfnissen gemäß entwickelt (Stichwort: Finanzmärkte, Klimakatastrophe), daß man alles einmal gründlich durchkärchern müsste.

Ich rate Ihnen, sich in faden Perioden des Lebens vor diese Monitore zu stellen, die an den Stirnseiten der Regale von Heimwerkermärkten angebracht sind. Die Männer, die in den dortigen Bildschirmen auftreten, sind oft sehr munter, einer der beiden mimt, im Sinne der Sache, einen umständlichen Skeptiker, der andere stellt, seinem Naturell entsprechend, einen Mann der Tat dar und demonstriert, wie sich die sichtbaren Probleme auf technischem Wege lösen lassen. Das Material fügt sich schließlich dem Manne; im Endeffekt liegen befriedigend glatte Schnitte, lotrechte Bohrlöcher sowie Sauberkeit und Ordnung der Dinge vor.

Gott erschuf den Menschen, der das Prinzip des Funktionalismus ersann; somit sind auch Spax Terassenschrauben Werke des Herrn, der so seinen Geist durch den Menschen hindurchfließen ließ. Als singuläre Person ist Gott nicht stapelbar, wohl aber als von ihm beseelte Plastikbox E1 beispielsweise. Die Welt ist deswegen so unwirtlich, kalt und öde, daß der Mensch gedrängt ist, ihr Wohlbehagen und Glück abzuringen durch Technik. Folgt man der Annahme, daß alle Dinge, alle Pflanzen, alle Tiere, alle Menschen von göttlichem Geist beseelt sind, so erscheint Gott großartig und banal, gut und voll scheiße zugleich.

Was Flugrost, Magnesiumkalk, Gefrierbrand, Bügelglanz und mikrobakterieller Befall in ihren jeweiligen Mikrokosmen sind, stellen Seuchen, Hunger und Kriege im Großen dar. Von diesen Symptomen der menschlichen Verderbtheit nährt sich die sogenannte Medienmaschine, ein Zwitter aus steampunkartigem Zahnradapparat und Biomasse, dessen Gestalt sich als sowohl grotesker wie auch furchterregender, wenn auch hübsch silbrig glänzender Tiefseefisch von gigantischem Ausmaß vorstellen lässt, der in vergleichsweise seichten Gewässern dümpelt und sich die Abbilder des Leids und die Sensationen der Welt mit hoher Geschwindigkeit in das träge auf und zu klappende Maul schwemmen lässt, die sodann zügig den Magen, sowie den – für Aasfresser charakteristisch – kurzen Darm passieren, um schließlich als toxischer Sondermüll, als Meinungen, ausgeschieden zu werden. Die Medienmaschine verfügt über einen ausgeprägten Verdauungsapparat, jedoch über ein in Evolutionsprozessen verkümmertes Gehirn. (Die Gehirnleistung dient quasi ausschließlich der Steuerung der Verdauungsprozesse.) Trotzdem wird – lediglich durch Präsenz und Ausstoß – versucht zu suggerieren, die Verdauung der seit Jahrmillionen gleichen Nahrung würde stets variieren, daß sich aus den neuesten Exkrementen auch immer neue moderne Weltmodelle und Handlungsgrundlagen bilden ließen.

Satellitengleich umschwirrt wird die Medienmaschine von kleineren digitalen Parasiten, die mit dem großen Verdauungsapparat eine Art Symbiose der nachhaltig bilateralen Fäkalienverwertung eingegangen sind. Man nennt diese Parasiten Blogs und Twitter; eine Art endzeitliche, maximal beschleunigte Form des Leserbriefs – die totale Meinungsmache bei gleichzeitiger größtmöglicher geistiger Leere – der Stammtisch und die Beschwerdestelle der Hölle.

Die Entstehung der Arten (Teil 1)

Ich skype gerade Hans-Werner an, weil MSN down ist und Hans-Werner in der vierzehnten festhängt, bei ‘nem Strategy-Panel mit ein paar ganz großen Tieren aus den Staaten. Wie immer, wenn ich in good old Mainhatten bin, treffen wir uns in Rick’s Bar auf nen paar gepflegte Single-Malts zum absacken. Ich hab Hans-Werner Ende der achtziger kennengelernt, als wir gemeinsam die Human Resource Optimization Unit eines mittelgroßen DAX-Konzerns geleitet haben unten in Würzburg. Heute ist die Bude IMHO schlachtreif, die erste also, die in Germany die Hufe hochreißen wird, wenn die Lage – was anzunehmen ist – weiter bearish bleibt. Bei diesen unterirdischen Zahlen hätte man den Brüdern schon vor einem Jahr einen hammerharten Rating-Downgrade reinwürgen und den Wert stante pede aus dem DAX kegeln sollen. Aber hey, der Markt ist eben kein Ponyhof. Mein alter Kumpel Hans-Werner also, damals, kurz bevor die Blase geplatzt ist, short gegangen, die sauer verdienten Milliönchen dann aber in Dubai versenkt. Life sucks! Aber das ist ein anderes Thema. Ich häng’ also an der Bar, die Puppe hinter dem Tresen schiebt ihren Arsch rüber, ich bestell mir ‘nen gepflegten doppelten Armorik Single Malt und genieß die Aussicht. Heilige Scheiße, die Puppe hat wirklich den süßesten Arsch diesseits der Beteigeuze, und als wenn das noch nicht genug wäre, zwei wirklich amtliche Hupen, die sich sehen lassen können – lucky me, Freunde! Als die Party vorbei war, Ende der achtziger, ist Hans-Werner ins freie Strategy-Consulting, ich ins Direct-Marketing, das steckte seinerzeit noch in den Kinderschuhen, i mean digital, da war mächtig Cash drin und ich bereit, mir die Piepen zu holen, klar, dann rüber ins SEO-Segment, das war das große Ding seinerzeit, Ende der neunziger. Hab nen paar relativ große Buden auf nen Pagerank gehievt, von dem die Brüder nur träumen konnten, and so on. Ich schau kurz auf meine Patek Philippe; Hans-Werner lässt auf sich warten und draussen schifft es, als ob die Welt untergeht. Heilige Scheiße, wie ich es hasse. So, Freunde, nun ratet mal, wer sich am meisten in diesem beschissenen Land auf die Cabrio-Saison freut? Na? Richtig! Meine Wenigkeit, good old me! Verdeck runter, rauf auf die Gotthard-Straße und dann immer gib ihm. Schön Konvoifahren mit den buddies und aus den Bose-Subwoofern schallt Supertramp: Yeah! Ich mein, Hallo? Wieso geb’ ich mir sonst Sechzehn-Stunden Tage mit den beratungsresistentesten und merkbefreitesten Kunden diesseits der Beteigeuze? Klar, ihr wisst wie es läuft, money makes the world go round wie es so schön heißt und ja, natürlich Mäuschen, ich nehm’ noch einen. Hans-Werner will sich ja einen Alpha-Romeo Spider holen, da hab ich ihm neulich im MSN Chat erst mal verklickert, daß er bei den Straßen hier ziemlich Trauer haben wird mit so einer abgefuckten Spaghettischleuder, eine Bodenwelle und es heißt: Good-bye Unterboden. Na, muss jeder selber wissen. Ich fahr’ Maserati Gran Turismo, bin mit dem Wagen an und für sich sehr zufrieden, da stimmt die Performance, die Optik und das Design, eben alles. Five thumbs up also. Hab mir die Schüssel geholt, nachdem ich meine Exfrau abgeschossen hab und der Bilfinger-Job in trockenen Tüchern war. Man gönnt sich ja sonst nichts! *gg* Stay tuned folks! Versuch mal kurz Hans-Werner anzutwittern: @hans_werner is 2L8 – Alter Schwarzfußindianer, der Whiskey ruft!!! BTW hab mir das G1 geholt, um meine Communities im Flieger zu checken und zum daddeln und prokrastinieren natürlich ;-) Die Tasten sind ein wenig hakelig, aber hey, das Gerät geht IMHO absolut klar. Hans-Werner sagt, er sei ja eher so ein Blackberry-Typ, okaaay, er ist mit Push-Mail groß geworden. Hans-Werner simst mich gerade an, unser Treffen fällt flach, plötzliches Overnight-Meeting. Kann man nichts machen, shit happens. Noch einen doppelten Single-Malt und ich bin raus hier. Gabel mir noch ne handliche Bordsteinschwalbe auf und fahr das übliche Programm: französisch, doggystyle und abspritzen in der Missi, dann heißt es für meine Wenigkeit: kleines Betthupferl aus der Hausbar und an der Matratze horchen. Morgen ein wichtiges Kickoff-Meeting für das Osteuropa-Segment eines führenden deutschen Franchisers in Pforzheim. Alter Verwalter, ausgerechnet Pforzheim! IMHO die buckligste Stadt diesseits von Wladiwostok! Der Flieger geht um sieben, einchecken um sechs. In diesem Sinne: Tschö mit ö und tut nichts, was ich nicht auch tun würde!

Was wie Ambrosia wirkt, ist tatsächlich angetaute Tiefkühlasiapfanne

Das Schnäbelchen pocht energisch von innen an die Schale, daß ein erster Riss entsteht. Ein Entenküken begehrt Einlass in die Welt. Die Welt ist gut, die Welt ist schlecht; gleichsam ein fertiger Holzschnitt, der aus dem Fernseher purzelt, auf die Auslegware: es ist die Wahrheit; darauf haben Künstler in verschiedenen Arbeitstechniken Wirklichkeitsebenen und Deutungen, im wesentlichen vermittels Aquarellfarben, auflasiert, aber auch gespachtelt und mit Wachsmalstiften hingekrakelt. Bitte nehmen Sie es so, wie es ist. Im Gefieder des juvenilen Ententieres, wird einst eine Milbenart ihr Domizil aufschlagen, wird dort, sehr gelassen ihren evolutionären Plan weiterverfolgen, das Leben in Entengefiedern noch zweckmäßiger zu gestalten. Die Welt feilt an den Nukleinsäuren, die weise Milbe lässt geschehen.

Schnellzüge stampfen durch Bergtunnel und Astronauten, deren Augen aus Bergkristall gefertigt sind, steigen ins All hinauf und die Welt hüllt sich in Schwefelqualm.

Stakkatohafte Technobeats peitschen durch die Bohnerwachsgänge eines Hochbegabten-Internats ob Davos. Marie-Luise, designierte Bestsellerautorin, Eisprinzessin, Tennis-Ass und Ausnahmepianistin in spe, des Studienrates jüngstes Töchterlein, ein Backfisch von siebzehn Lenzen, sitzt, lediglich mit einem Ich ziehe Otterbabys dem zweiten Weltkrieg vor-T-Shirt bekleidet, unweit des Fensters, an einem Russentisch und ihr zartes Koksnäschen kräuselt sich recht reizend, als ein Leuchtmittel über ihrem güldenen Lockenkopfe erscheint, da ihr augenblicklich Schuppen von den Augen fallen: Gewiss, Hedonismus lautet das Lösungswort! Die Buchstaben nun flugs aus den Überschriften führender Lifestyle-Magazine ausgeschnitten, mit Nagellack und Glimmerstaub zusammengepappt, sodann gefaltet, zu einer Origami-Hydra mit vorknisternden Trotzköpfchen, die im Chor rufen: Siehe, Miniaturisierung und Beschleunigung wird da sein, ein apokalyptisches Rumoren und Schaben; mehr sollt ihr nicht erwarten. Aber das ist ja auch schon allerhand und nicht Nichts, denkt man, im Transit eine kleine Siedlung von feinstaubmatten Wohnwagen gewahrend, die sich hinter die Böschungskante einer Ausfallsstraße ducken, an der nubische Prostitutierte in die Fahrerkanzeln rumänischer Berufskraftfahrer steigen um ihnen zu dienen. Die Bewohner essen hier zerhackte Tiere in brauner Soße, sie haben schwarze Zähne und ihre grindigen Füße schubbern träge über schäbige Acrylteppiche mit Brandlöchern darinnen. Alle hier Lebenden sind abhängig von einer Droge, die aus den gemahlenen Leibern von Tausendfüßlern gewonnen wird. Der schorfartige Podsolboden, draussen, vor den Hängern, ist altölbeschmiert und übersät mit leergefressenen McDonald’s-Verpackungen; ein Habitat der allerneuesten Schimmelkulturen und des Tschernobyltäublings, der, Pilzkundler werden es wissen, durch eine Wanderungsbewegung hierher geriet.

Der feine Herr Studienrat, des Backfisches alter Herr, wir erinnern uns, sitzt an einem anderen Ort, bei einer lauwarmen Tasse Kamillentee nebst zwei ungesüßten Haferkeksen, im Lichtkegel einer formvollendeten Stehlampe und beschriftet Post-It-Zettelchen mit peinlichst akurater Sütterlinschrift – Nonpareille versteht sich, das Material will schließlich genutzt sein. Kleine Bildungssentenzen und geistreiche Aperçus, Meyers neuem Lexikon oder Goethes Tagebüchern entnommen, die sodann in einen schweinsledern gebundenen Baedeker-Band eingeklebt werden, mit knöcherner Studienratshand, fein säuberlich, der feine Herr Studienrat gedenkt eine Reise zu unternehmen, zur Zitronenblüte – heim in den Schoß der Klassik.